Aether

Formel:

C2H5-O-C2H5 (#13/70)

Andere Namen:

Ethylaether, gelindertes Vitrioloel. (#13/69f.) Diaethylaether, Diethylether (engl.), Ether (engl). (eigen)

Spezifikation:

Es ist ein klare, farblose, leicht bewegliche und charakteristisch riechende Fluessigkeit, die bei 35 Grad Celsius verdampft und sich sehr leicht entzuendet. Man kann sie im Verhaeltnis 1:10 mit H2O und in jedem Verhaeltnis mit EtOH mischen. (#13/70)

Vorkommen:

Hoffmannstropfen. (#13/70)

Allgemeines:

Aether, als Rauschdroge gebraucht, wird eingeatmet oder innerlich als Genussmittel verwendet. (#10)

Aether wird heute nur noch selten als Rauschgift verwendet und auch seine medizinische Bedeutung als Narkosemittel geht zurueck. (#13/69)

Die Verbindung wird aber auch als Narkosemittel eingesetzt, indem man den Patienten das Mittel inhalieren laesst. (#10, 13/70) Medizinisch wendet man hochgereinigten Aether (heute oft mit anderen Narkotika kombiniert) in einer Konzentration von 3-4 Volumenprozent in der Atemluft an. (#13/70)

Aether ist ein gebraeuchliches Loesungsmittel in der Chemie und Pharmazie. (eigen)

Wirkungen:

Louis Lewin, Begruender der Toxikologie und Verfasser einer Reihe von Schriften ueber Drogen und Drogensucht beschrieb die Wirkungen des Aethers folgendermassen:

Stillung koerperlicher und psychischer Schmerzen, Illusionen des Gesichts und Gehoers, das Traeumen eines gluecklichen, paradiesischen Zustandes, der sich nach den Wuenschen des Betreffenden gestaltet, das Hoeren schoener Musik, das Sehen schoener Frauen, lasziver Situationen und anderes mehr koennen sich einstellen, eine Zeitlang bestehen und die Erinnerung an einen koestlichen Traum hinterlassen. Auch Aethertrinker koennen akut durch zu starke Berauschung zugrunde gehen. Beim Einatmen entstehen Appetitmangel und Muskelzittern, und man verbreitet einen unangenehmen Geruch, man wird matt und schwach. Beim Trinken von Aether beginnen die koerperlichen Beschwerden gewoehnlich mit Stoerungen der Magenfunktionen. Dyspepsie, Magenschmerzen, Erbrechen stellen sich ein. Seltener ist Zittern und Muskelschwaeche sowie Glykosurie. (#10)

W. Schmidbauer und Juergen vom Scheidt beschreiben die Wirkungen von Aether in ihrem Lexikon: "Handbuch der Rauschdrogen" folgendermassen:

Aether betaeubt zunaechst die Gehirnrinde, das 'Organ des Bewusstseins'. Er schaltet die Schmerzempfindung aus und hemmt die Reflexe der Muskulatur (was bei chirurgischen Operationen sehr guenstig ist). Erst sehr hohe Dosen laehmen das Atemzentrum und fuehren dadurch zum Tod. Diese Wirkung 'von oben nach unten', von der Gehirnrinde zu den lebenswichtigen Steuerzentren im Hirnstamm, kennzeichnet alle medizinischen Narkosemittel. Kreislauf und Herz werden durch Aether nur wenig beeinflusst; die Schleimhaeute reizt er ziemlich stark. Nach einer Aethernarkose tritt oft ein Kater mit Uebelkeit und Erbrechen auf. Das Wirkungsbild des Aethers gleicht dem des Alkohols, doch setzt der betaeubende Effekt viel rascher ein. Da auch Aether zunaechst (ueber eine Unterdrueckung der hemmenden Einfluesse der Grosshirnrinde) erregend zu wirkem scheint und zugleich die Selbstkritik stark einschraenkt, fuehrt er oft zu einer Euphorie, in der die eigene geistige Leistungsfaehigkeit weit ueberschaetzt wird. (#13/70f.)

Guy de Maupassant schilderte den Aetherrausch folgendermassen:

"Das war nicht Traum wie mit Haschisch, das waren nicht die ein wenig krankhaften Visionen wie mit Opium, es war eine wunderbare Schaerfe des Verstandes, eine neue Art zu sehen, zu urteilen, die Dinge des Lebens einzuschaetzen, und die Gewissheit, das absolute Bewusstsein, dass diese Art zu leben die wahre ist." (#13/71)

Aethermissbrauch fuehrt zunaecht zu quaelenden koerperlichen Symptomen. Die Nasen- und Rachenschleimhaut wird chronisch gereizt, wenn man den Aether inhaliert. Trinkt ihn der Konsument, dann leidet er bald an einer schweren Gastritis mit Appetitlosigkeit und Magenschmerzen. (#13/71)

Sucht:

Die Aaethersucht gehoert auch zu den seltenen Formen der Toxikomanie. (#13/71) Es gibt sogar einen eigenen Namen fuer diese Form der Sucht - Aetheromanie. (#10) Immerhin sind vereinzelt Faelle beschrieben worden, in denen Suechtige die Dosis steigerten (#10, 13/71) und schliesslich auf einen Tagesverbrauch von 100g kamen. Joel hat in den zwanziger Jahren noch 4 Faelle von Aaethersucht in Berlin beschrieben. Einer der Kranken trieb sich, das getraenkte Taschentuch vor dem Mund, in halbdeliranten Zustand in der Stadt herum und taetigte Einkaeufe, an die er sich spaeter nicht erinnern konnte. Die Aaethersuechtigen waren sehr heruntergekommen und an die Betaeubung durch das Narkotikum stark fixiert. (#13/71)

Entziehungssymptome scheinen aber nicht aufzutreten, behaupten faelschlicherweise W. Schmidbauer und Juergen vom Scheidt in ihrem Buch: "Handbuch der Rauschdrogen." (#13/71) Der Begruender der Toxikologie, Louis Lewin, profunder Kenner von Rauschdrogen und Giften, Zeitzeuge jener vergangener Suchten und Missbrauchsmuster, beobachtete jedoch damals folgende Symptome bei Aaethersuechtigen:

Waehrend der Kur treten Abstinenzsyndrome wie bei der Morphiumentziehung auf. Besonders hervorzuheben von Symptomen ist die Schlaflosigkeit. Auch Delirien kommen vor, an die sich Kraempfe anschliessen koennen. Man sah einen Kranken in solchen zugrunde gehen. (#10)

Geschichte:

Ende des 14. Jahrhunderts: Der Moench Basilius Valentinus gewann Aether, indem er Alkohol und Schwefelsaeure destillierte; er nannte dieser Verbindung "gelindertes Vitrioloel". (#13/69)

1734: Die Produktionsmethode von Aether wurde von Grosse und Duhamel veroeffentlicht.(#13/69)

Die Formel der Verbindung ermittelte Gay-Lussac. (#13/69)

Bereits 40 bis 50 Jahre, bevor der Aether zu arzneilichen Zwecken empfohlen wurde, hatte er zu berauschenden Zwecken Verwendung gefunden. (#10, 13/69) Von England wanderte dieses Laster nach Frankreich, Deutschland usw., ohne dass in den letztgenannten Laendern die Zahl der Opfer sehr gross wurde und besonders, weil der Morphinismus bald auf der Bildflaeche erschien. (#10)

ca. 1830: Es wurden "Aetherparties" in Boston und Philadelphia veranstaltet. Als unter dem Einfluss der ersten Temperenzler der Kampf gegen Alkohol einsetzte, gingen manche Befuerworter der Maessigkeit - darunter auch Pastoren - so weit, Aether als Alkoholersatz zu empfehlen. (#13/69)

Ab 1840: In Irland begannen nach der Prohibitionskampagne von 1840 die Wirte Aether auszuschenken. Manche Iren sollen bis zu 40 Glaeser mit je 8 bis 15 Gramm Aether am Tag konsumiert haben; in Draperstown und Cookstone konnte man von Aetherdaempfen in den Kneipen kaum atmen. Nach den Markttagen scheuten sich die Bauern, ihre Pfeifen im Abteil anzuzuenden, weil sie Angst hatten, eine Explosion auszuloesen. (#13/69f.)

Ende des 19. Jahrhunderts: Das Aethertrinken griff auf Norwegen und Deutschland ueber. Sobald Aether in den Apotheken nicht mehr ohne Kontrolle abgegeben wurde, wichen manche Konsumenten auf Hoffmannstropfen aus. Es handelt sich um eine von dem Arzt Friedrich Hoffmann (1660-1742) zuerst empfohlene Mischung von 3 Teilen Aether und einem Teil Alkohol (15 Tropfen auf Zucker), die Ohnmaechtige wiederbeleben sollte. (#13/70)

ca. 1920-30: Joel hat noch 4 Faelle von Aaethersucht in Berlin beschrieben. (#13/71)


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie