Morphin

Formel

Formel aus:

(#1, #69/89)

Vorkommen:

Papaver somniferum;

Andere Namen:

Meconium®, (#53/221) Morphium (alter Name); (#80/88) Substitol® (Morphinsulfat-pentahydrat), Compensan® (Morphinhydrochlorid-trihydrat); (eigen) MS Contin®; Oramorph®; Roxanol®; Avinza®; (5a,6a)-7,8-didehydro-4,5-epoxy-17-methylmorphinan-3,6-diol; (erowid.org)

Dosis:

Der Dosisbereich als Schmerzmittel beim Ungewohnten betraegt 10-100 mg. (#12)

Kennzeichnend fuer die Morphinsucht ist, dass die Empfindlichkeit des Zentralnervensystem gegenueber Morphin abnimmt. Morphinisten gewoehnen sich ziemlich schnell an hohe Dosen bis zu 1g taeglich. (#80/94)

Allgemeines:

Es ist ein Alkaloid mit einem Phenanthrenskelett. (#12) Morphin ist das Hauptalkaloid des Schlafmohnes (Papaver somniferum), aus dessen unreifen Samenkapseln der Mohnsaft durch Anritzen gewonnen wird. Diese eingetrocknete und weiterverarbeitete Schlafmohnsaft wird als Opium bezeichnet. Auch in diesem Praeparat, das seit alters bekannt ist, ist Morphin das Hauptalkaloid. Es praegt damit auch die Wirkung des Opiums wesentlich. Vor allem die schmerzstillende Wirkung des Morphins war zu allen Zeiten ein Grund fuer den Opiumgebrauch, doch Opium war auch immer schon Rauschdroge. Erst mit der Isolierung von Morphin aus Opium/Papaver somniferum wurde das wirksame Prinzip des jahrtausendelang genutzten Schmerz- und Rauschmittels greifbar und Morphin wurde auch alleine gebraucht. Auch heute noch ist Morphin ein unverzichtbares Schmerzmittel, aber auch ein Mittel gegen Durchfall. Zu diesem Zweck wird auch heute noch Opium verwendet, vor allem in Indien und Pakistan. (eigen)

Die Wirkung von Morphin und den anderen Opioiden wird ueber einen inneren Mechanismus ermoelicht. Es gibt im Gehirn des Menschen einen Rezeptor mit dem sich das Morphin oder ein anderes Opioid bindet und dadurch die Wirkung ausloest. Genaue Forschungen haben gezeigt, dass es verschiedene Typen von Rezeptoren gibt. Man hat sie mit griechischen Buchstaben benannt und zwar gibt es 3 Haupttypen von Rezeptoren. Den my-, den kappa und den sigma-Rezeptor hat man im Gehirn des Menschen entdeckt. Bindet sich eine Substanz an den Rezeptor so spricht man von einem Agonisten. Blockiert eine Droge die Wirkung eines Rezeptors durch Bindung spricht man von einem Antagonisten. Morphin z.Bsp. ist ein my-Rezeptoragonist, Naloxon der my-Rezeptor Antagonist. (eigen)

Morphin kann auch geraucht werden, nicht nur geschluckt und injeziert. Die Bereitung Substitol®, die in Oesterreich zur Substitution verwendet wird, kann auch free-gebased werden, gleich wie Kokain. Es wird zuerst das Talkum entfernt indem man die Kuegelchen mit Wasser aufkocht in einem Loeffel und dies wiederum abkuehlen laesst bis das Talkum ausfaellt aus der Loesung. Dann wird mit Hilfe eines Filters und einer Spritze das Morphinsulfat in Wasserloesung aufgezogen und in einen neuen sauberen Loeffel gegeben. Jetzt wird das Wasser abgedampft. Das sogewonnene Morphinsulfat kann nun geschnupft werden oder man nutzt die Methode des free-basing, indem man das Salz in die freie Morphinbase umwandelt. Dies geschieht durch Hinzugeben von Ammoniak zur Wasser-Morphinsulfatloesung. Dies muss vorsichtig und tropfenweise geschehen. Man kann zusehen, wie die Morphinbase ausfaellt. Das Wasser, dass ueberschuessig ist, kann mit einem saugfaehigem Papier entfernt werden. Jetzt hat man die freie Morphinbase. Diese kann nun geraucht werden. (Pers. Inf. D.H.)

Geschichte:

1803: Der Franzose Louis-Charles Derosne isolierte erstmals ein "Opiumsalz", das nach heutiger Ansicht ein Gemisch aus Narcotin und Morphin war. (#80/91)

1804: Der napoleonische Armeechemiker Armand Seguin hielt vor der Academie des Sciences einen Vortrag, in dem er ueber von ihm isolierte (vermutlich noch unreine) Kristalle berichtete. Die exakten Ergebnisse publizierte er jedoch erst 1814.(#80/91)

1806: In der Zwischenzeit hatte der dt. Apotheker Friedrich Wilhelm Sertuerner seine Arbeiten zur Abtrennung des Morphins, dessen hypnotische Wirkungen er erkannte, bereits veroeffentlicht. Er gilt heute allgemein als Entdecker. (#80/91)

Das Morphin wurde zuerst von Sertuerner 1806 aus dem Opium isoliert. (#12/64)

1823: Der Arzt Edme Samuel Castaign vergiftete die Brueder Ballet mit Morphin, um in den Besitz ihres Vermoegens zu kommen. Er wurde ueberfuehrt und 1823 in Paris enthauptet. (#80/92)

1827: Die dt. Firma Merck begann mit der industriellen Produktion von Morphin. (#80/92)

1828: Die dt. Firma Merck begann mit der industriellen Produktion von Morphin. (#69/95)

1861-1865: Waehrend des amerik. Sezessionskriegen wurden viele Verwundete morphinsuechtig. (#80/92)

1872: Auch waehrend des Dt.-Frz. Krieges beobachtete man bei Verwundeten, denen man das Morphin zur Selbstinjektion ueberlassen hatte, dass sie abhaengig wurden. (#80/92, #69/95)

1874: Die Selbstinjektion und die relativ freie Morphinabgabe an Patienten wurde von dem Mediziner Carl Ludwig Alfred Fiedler scharf angegriffen. (#80/92)

1875: Der Arzt Eduard Levinstein kritisierte ebenso scharf. (#80/92)

n. 1875: Trotzdem breitete sich der Morphingebrauch aus. Die Damen der sogenannten besseren Gesellschaft kamen zu "Injektionskraenzchen" zusammen. Alexander Dumas d. J. (1824-1895) nannte das Morphin daher auch den Absinth der Frauen. (#80/92)

1875-1900: Der Hoehepunkt der Welle des Morphingebrauchs war in dieser Zeit, dann rueckten Heroin und Cocain mehr in den Mittelpunkt. (#80/92)

Die Totalsynthese des Alkaloids gelang Gates und Tschudi. Sie fuehrte von einem Hexahydrophenanthrenderivat ueber zahlreiche Zwischenstufen zu Codein und Morphin. (#12/64)

1952: Morphin wird seit diesem Jahr auch synthetisch produziert. (#69/95)

Spezifikation:

Morphinbase:
Summenformel: C17H19NO3
Dreht das polarisierte Licht nach links;
Schmelzpunkt: bei 230 Grad Celsius;
Loeslichkeit: loeslich in Chloroform und Amylalkohol, wenig in Aether, kaum in Wasser.
Morphin liegt ueblicherweise als Morphinhydrochlorid vor. Dessen Molekulargewicht ist geringer als von Morphinsulfat. Deshalb wirkt die gleiche Quantitaet Morphinhydrochlorid staerker als Morphinsulfat. Das Hydrochlorid loest sich in 24 Teilen Wasser und schmilzt bei 200 Grad Celsius. Morphinhydrochlorid kristallisiert besser als Morphinsulfat. Die Wasserloeslichkeit ist aber bei den Salzen weitgehend gleich. Morphinhydrochloridampullen enthalten in der Regel 10 oder 20 mg Wirksubstanz. Die hoehere Dosierung der oralen Darreichungsform erklaert sich aus der schlechteren Resorbierbarkeit im Magen-Darm-Trakt im Vergleich zur Injektion in das subkutane Gewebe. (#12/64)

Wirkungen:

Subjektive Wirkungsbeschreibungen:

ca. 100mg Morphin (eine subjektive, kurze Zusammenfassung): Nach meinen eigenen Erfahrungen ist der Morphiumrausch von einem Nachlassen der Schmerzwirkung, von einem Gefuehl der Waerme im Bauch und einer relativ starken hypnotischen Wirkung gekennzeichnet; ich habe bei jener Erfahrung damals vor lauter Rausch nicht einmal mehr den Sonnenbrand einer Freundin bemerkt - sie uebrigens auch nicht; ich habe sofort fuer diese Menschen gelogen, denn auch sie haben mir eine Erfahrung gegeben, die ich machen wollte; sie waren damals fuer den offenen Drogenkonsum von anderen Rauschdrogen ausgegrenzt und ich habe mich mit ihnen dazu verbuendet. Denn nebenan sind auch massenhaft Leute gesessen, die in der Bar getrunken haben. Die Erfahrung des Gruppengefuehls und des Rausches hat mich bekraeftigt fuer diese Leute einzusetzen, doch teilweise auf die falsche Art; ich habe ihnen Haschisch empfohlen, statt Opiaten; die Wirkung der Substanz, gerade diese Erfahrung hat mich damals bekraeftigt noch mehr Opiate zu konsumieren; deshalb habe ich Monate spaeter etwa 3 Tage lang i.v. Heroin probiert und auch ein- bis zweimal Opium geraucht. (Es haengt von der Staerke der Persoenlichkeit eines Menschen ab, ob er Drogen zur Berauschung nehmen will oder nicht, auch von der Umgebung und vielen anderen Faktoren, dass man suechtig wird.) Ich habe bald die Lust an dieser Art Erfahrung verloren und bin froh durch die Staerke dieser Mittel nicht abhaengig geworden zu sein. Dazu hatte ich die Staerke; Ich haette sicherlich die Lust verspuert solche Mittel oefter zu nehmen, darin unterscheiden sie sich sehr stark von Cannabis und Halluzinogenen; der Drang, diese innere Waerme (Euphorie) sind einfach eine Tatsache und waren angenehm. Dieses Experiment, fuer welches ich dankbar bin, hat mir uebrigens eine Reihe anderer Fehler von mir gezeigt, die mir meine Mutter und meine Freunde spaeter gezeigt haben; (eigen)

Das Mittel ist schmerzstillend; es hebt den Schmerz nicht auf, sondern nimmt den quaelenden Charkter, die geistige Aktivitaet wird gedaempft, Euphorie; beseitigt Angst, Spannungszustaende und unlustbetontes Erleben; Intensitaet von Analgesie und Euphorie scheinen gekoppelt; Hemmung der Harnausscheidung; atemdepressive Wirkung; Koerperliche Abhaengigkeit, Tendenz zur Dosissteigerung; gehoert zu den suchterzeugendsten Drogen, die wir kennen; wir nur von Heroin uebertroffen; subcutane Injektion moeglich; intravenoes moeglich;

Entzugssymptome: reichen von leichten vegetativen Symptomen, wie Schwitzen, Frieren, Zittern, Uebelkeit und Brechreiz bis hin zu schweren Schmerzzustaenden, im Bereich der Gliedmassen oder im Bauchraum. Kreislaufstoerungen, depressive und Angstzustaende, Schlafstoerungen, Durchfall/Verstopfung, tagelanges Erbrechen, Spasmen im Verdauungstrakt und im Urogenitalsystem;

Ueberdosis: laehmende Effekte im Bereich des ZNS, besonders im Atemzentrum; Atemdepression, komatoese Bewusstseinsstoerung und Areflexie; die Pupillen sind in der Regel enggestellt. Aufgrund der abfallenden Kreislauffunktion und der Atemstoerung mit gelegentlichen Uebergang zu Cheyne-Stokescher Atmung kommt es zur Zyanose. Todesursache ist meist die Atemlaehmung. (#2)

S. Hedayat schilderte im Jahr 1936 einen Morphinrausch wie folgt:

"Langsam nahmen meine Gedanken ein grosse Schaerfe, eine zarte Reinheit an. Ich fiel in einen Zustand, der halb Schlaf war, halb Ohnmacht ... frei flog ich hinter meinen Gedanken her, die reich und weit und ueberdeutlich waren ... der Zusammenhalt meiner Gedanken loeste sich, und sie mischten sich mit Farben und Gestalten. Ich war in Wellen getaucht von sanftester Zaertlichkeit. Ich konnte das Schlagen meines Herzens hoeren... Dann meinte ich, mein Leben beginne nach rueckwaerts abzulaufen. Nacheinander sah ich Erfahrungen, die laengst vergangen, Zustaende und Ereignisse von einst, verwischte Erinnerungen, vergessene, an meine Kinderzeit ... dann ploetzlich wurde alles ungenau und dunkel, mir schien, mein ganzes Sein haenge an einem duennen Haken auf dem Grunde eines finsteren und tiefen Brunnens." (#80/94f.)

Im fortgeschrittenen Stadium kommt es beim Morphinisten vor allem zu Schlaflosigkeit, Impotenz, Abmagerung, Zittern und psychischen Stoerungen. (#80/95)

Die akute Morphinvergiftung fuehrt zum tiefen Koma bei nahezu fehlender Atmung und maximaler Pupillenverengung. Hier hilft nur das sofortige Spritzen eines der heute verfuegbaren, als Morphinantagonisten wirkenden Gegengifte. Die toedliche Morphindosis liegt nach oraler Aufnahme zwischen 0,3 und 1,5g (bei Suechtigen), nach parenteraler Applikation bei 0,1g. Fuer Saeuglinge koennen allerdings schon 2-3 Tropfen Opiumtinktur toedlich sein. (#80/95)

Fuerchterliche Entzugssymptome beschreibt De Roop im Jahre 1964:

"Beim Erwachen .. betritt er die tieferen Regionen seiner ´persoenlichen Hoelle´. Das Gaehnen kann so heftig werden, dass er sich die Kiefer verrenkt. Aus der Nase fliesst duenner Schleim, die Augen traenen stark. Die Pupillen sind sehr erweitert, die Haut ist kalt. Die Daerme beginnen mit unerhoehrter Gewalt zu arbeiten. Die Magenwaende ziehen sich ruckweise zusammen und verursachen explosives Erbrechen, wobei oft auch Blut austritt. So gewaltig sind die Kontraktionen der Eingeweide, dass der Leib aussen ganz geriffelt und knotig aussieht, als seien unter der Haut Schlangen in einem Krampf verwickelt. Die starken Leibschmerzen steigern sich rapid. Der Darm wird immerfort entleert, so dass es bis zu 60 waessrigen Stuhlgaengen am Tag kommen kann." (#80/95)

Es erscheint dem Beobachter dann schon wie ein Wunder, wenn ein solcher Mensch, nachdem ihm etwas Morphin gespritzt wurde, wie von den Toten aufersteht und nach 30 Minuten gewaschen, rasiert, lachend und gespraechig vor einem steht. (#80/95)

Der ploetzliche Morphinentzug ist nicht unproblematisch, da der Suechtige schwerste Durchfaelle, Angstzustaende und Depressionen erleidet. Es kann dabei auch zum akuten Kreislaufversagen kommen. Bereits Albrecht von Haller (1708-1777) wies darauf hin, dass Tuerken so stark an den Opiumgebrauch gewoehnt sind, dass sie sterben, wenn man ihnen dasselbe entzieht. (#80/96) Worin sich uebrigens bereits eine gewisse Art Rassismus anmeldet - denn Morphiumabhaengigkeit ist schon damals nicht nur ein tuerkisches Problem gewesen; die ersten Berichte von Abhaengigkeit stammen schon aus der Antike;

Nebenwirkung ist beim Morphin die Laehmung der Darmtaetigkeit, woraus sich sein Gebrauch bei Durchfall, erklaert. (eigen)

Gegengift:


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie