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Schubhaft in Österreich

Schubhaft, was ist das?

Bei der Schubhaft handelt es sich juristisch gesehen nicht um eine (Straf-)Haft sondern um eine Anhaltung. Das bedeutet, dass es dabei keiner richterlichen Anordnung bedarf. Schubhaft wird ohne Haftprüfung von BeamtInnen einer Verwaltungsbehörde verordnet. Vollzogen wird diese Zwangsmaßnahme zumeist in Polizeianhaltezentren (PAZ) wo AsylwerberInnen und MigrantInnen bis zu zehn (!) Monate festgehalten werden können. Dies soll, so die Rechtfertigung des Staates, den reibungslosen Ablauf angeblich notwendiger Abschiebungen sichern.

Schubhaft, wen betrifft das?

Schubhaft richtet sich einzig und allein gegen "Fremde", also gegen Menschen die nicht in das Konstrukt des "Inländers" passen. Diese Tatsache zeigt bereits den grundsätzlich rassistischen Charakter dieser Freiheitsberaubung. Konkret betroffen sind einerseits Menschen die sich hier "illegal" aufhalten, zB. weil sie keine (gültigen) Papiere vorweisen können. Der Verhängung der Schubhaft geht in diesem Fall üblicherweise die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes voraus. Dabei reicht als Begründung ein Verstoß gegen das Meldegesetz ebenso aus wie das "Verbrechen" mittellos oder eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" zu sein. Allein in Österreich sind davon jährlich mehrere tausend Menschen betroffen. [1] Andererseits sind auch AsylwerberInnen betroffen deren Verfahren in Österreich (noch) nicht zugelassen wurden, etwa weil zuerst geprüft wird, ob ein anderer EU-Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein könnte. Oft vergehen bereits Monate bis zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen für ein Asylverfahren überhaupt gegeben sind. In diesem Zusammenhang spielt die Dublin II-Verordnung [2] der EU eine Rolle. Frauen trifft die Bedrohung durch Schubhaft besonders hart. Haben sie durch eine Familienzusammenführung oder Heirat den Aufenthaltstitel erhalten, sind sie völlig von ihrem Mann abhängig, da eine Scheidung die Ausweisung zur Folge haben könnte. Frauen und Mädchen die als Sexarbeiterinnen nach Österreich verkauft werden, hält oft die Furcht vor einer Abschiebung von der Flucht vor ihren Zuhältern ab. [3] Ausserdem werden viele frauenspezifische Fluchtgründe wie Vergewaltigung nicht als solche anerkannt. Das neue Fremdenrecht [4] macht es (unter bestimmten Umständen) sogar möglich, Menschen, die als Kinder von MigrantInnen in Österreich geboren wurden, in Schubhaft zu nehmen und abzuschieben.

Für alle, die von einer möglichen Schubhaft bedroht sind, gilt, dass sie durch die restriktive Gesetzgebung sowie den rassistischen Konsens in der mehrheitsösterreichischen Bevölkerung zu einem unmenschlichen und präkeren Lebensstil gezwungen werden. Sie werden dadurch in ausbeuterische Wohn- und Arbeitsverhältnisse gezwungen um überleben zu können.

Schubhaft, wie ist das?

Der Alltag in einem Anhaltezentrum der Polizei ist vor allem eines: eintönig. Im Gegensatz zu Häftlingen in Justizstrafanstalten gibt es für Schubhäftlinge kaum Angebote, die der geistigen Zerstreuung, körperlichen Betätigung oder sonstigen Ablenkung dienen. Dazu kommen die unmenschlichen Bedingungen der Haft: bis zu 22 Stunden am Tag in engen, oft überfüllten Zellen; schlechtes Essen und unzureichende medizinische Versorgung; eingeschränkter Zugang zu sanitären Einrichtungen (die Insassen der Salzburger Schubhaft dürfen nur ein mal pro Woche duschen, und das obwohl viele von ihnen an Kleidung nur das besitzen was sie am Leib tragen!). Dazu kommt, dass über Grund und Dauer der Anhaltung meist kaum oder gar nicht informiert wird. Die einengende Gefangenschaft, die unzumutbaren Zustände, der psychische Druck und vor allem die Ungewissheit treiben Menschen immer wieder zu Hungerstreiks und Selbstverstümmelungen. Für viele ist das der einzige Weg der Haft zu entkommen oder dagegen zu protestieren. Die Gefängnispolizei reagiert auf diese Form des Protests meist mit Straf- und Disziplinierungsmaßnahmen. Sie verschärft damit die psychische und physische Krise in der sich die Gefangenen befinden. Auch Suizidversuche sind häufig und enden immer wieder tötlich. Das Bundesministerium für Inneres macht zwar keine offiziellen Angaben über die genaue Anzahl der Fälle, trotzdem werden mit beängstigender Regelmäßigkeit Todesfälle bekannt [5], zuletzt am 5. Oktober 2005 in der Linzer Schubhaft [6]. Um widerstrebendes Verhalten zu brechen, dürfen Disziplinierungsmaßnahmen eingesetzt werden. Dazu gehört neben dem Verabreichen von Drogen auch die Verhängung von Isolationshaft, welche üblicherweise mit dem "Schutz vor Selbstbeschädigungen" gerechtfertigt wird. Mit dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen "Fremdenrechtspaket 2005" wurde erstmals auch eine Zwangsernährung von Hungerstreikenden ins Programm der staatlichen Foltermittel aufgenommen! Mit der Asyl- und Fremdengesetznovelle wurden die Schubhaftbedingungen zudem massiv verschärft. So kann die Haftdauer in Zukunft nicht bis zu sechs, sondern bis zu zehn Monaten dauern!

Seit 1998 werden vom Innenministerium NGOs mit der sozialen und humanitären Betreuung von Schubhäftlingen beauftragt. Die anhaltende Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen an den katastrophalen Zuständen in österreichischen Abschiebeknästen führte zur Einführung dieser Einrichtung. Die Aufgaben der Schubhaftbetreuung reichen von der materiellen Grundversorgung über rechtliche Beratung bis hin zu psychologischer Betreuung und Intervention in Krisenfällen. Allerdings gehört auch die Vorbereitung auf Abschiebungen zu ihren Aufgaben und eine generelle Schweigepflicht zu ihren Verpflichtungen. "Präventive Maßnahmen" sollen Konfliktpotentiale möglichst klein halten. So kann die unmittelbare Situation von Schubhäftlingen zwar oft verbessert, die Institution Schubhaft als ganzes aber nicht in Frage gestellt (geschweige denn bekämpft) werden. Die Schubhaftbetreuung soll zwar das Schlimmste verhindern, trägt dadurch aber auch dazu bei, eine routinemäßige Durchführung fremdenpolizeilicher Zwangsmaßnahmen sicherzustellen. Seit einiger Zeit wird, ebenfalls im Auftrag des Innenministeriums, im Rahmen des Asylverfahrens eine Rückkehrberatung durchgeführt. Diese soll, vor dem Hintergrund der Illegalisierung und Festhaltung in Abschiebelagern, Flüchtlinge zu einer "freiwilligen" Rückkehr in ihre Herkunftsländer bewegen. Dieses "Angebot" mag in einzelnen Fällen zwar durchaus hilfreich sein, von Freiwilligkeit kann angesichts drohender Zwangsernährung und anderer Disziplinierungsmaßnahmen aber keine Rede sein. Dazu kommt, dass u. a. profitorientierte Dienstleistungsunternehmen wie European Homecare mit der Durchführung beauftragt worden sind.

Den wahren Zweck der Rückkehrberatung offenbarte eine im November 2002 öffentlich gewordene interne Mitteilung des BMI an European Homecare, aus der hervor ging, dass es nicht schaden würde, "wenn bei den Beratenen der Eindruck eines zügig abgewickelten Asylverfahrens entstünde, an dessen (baldigem) Ende (erwartungsgemäß rechtskräftige Antragsabweisung) die entsprechenden fremdenrechtlichen Verfügungen bzw. Zwangsmaßnahmen stehen." [7] Ziel ist also eine möglichst effiziente Reduzierung der Zahl der in Bundesbetreuung (oder Anhaltezentren) untergebrachten Flüchtlinge.

Schubhaft - die Grenze ist überall!

Der Abbau von Grenzen, wie ihn die EU für sich beansprucht, bedeutet in Wirklichkeit ihre Ausweitung nach Innen und Außen. Zusätzlich zur militärischen Bewachung der Schengengrenze werden die Kontrollmöglichkeiten der Polizei im Hinterland ausgebaut. Das bedeutet für MigrantInnen neue, örtlich nicht vorhersehbare Grenzen, die sich im System der Schubhaft am deutlichsten manifestieren.

Abschiebung ist Folter - Abschiebung ist Mord!

Der Tod von Marcus Omofuma [8] zeigte deutlich, dass Mord in der staatlichen Abschiebepraxis nicht nur möglich ist, sondern auch in Kauf genommen wird. Dabei spielt nicht nur die unmittelbare Gewaltanwendung welche MigrantInnen während einer Abschiebung erfahren eine Rolle. Für viele bedeutet die erzwungene Rückkehr in die Verhältnisse vor denen sie geflohen sind an sich schon eine Lebensbedrohung!

Die Zustände verbessern?

Alle Menschen müssen zunächst gleiche politische und soziale Rechte haben - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, sozialem Status und Geschlecht. Differenzierende Instrumente wie Schubhaft und Abschiebung, rassistische Gesetze und Praxen können nicht verbessert, sondern nur verhindert und abgeschafft werden. Sie sorgen dafür, dass Menschen rassistisch ausgegrenzt werden und andere davon profitieren. Rassismus liegt ihnen existenziell zu Grunde. Abschiebungen unmöglich zu machen und MigrantInnen aktiv zu unterstützen, ist praktische Solidarität und ziviler Ungehorsam gegen institutionalisierte Rassismen.

Wir rufen dazu auf, Flüchtlinge und MigrantInnen bei der Ein- und Weiterreise zu unterstützen! [9]

[1] Aufenthaltsverbote in Österreich pro Jahr:
- 2000: 12.703
- 2001: 16.387
- 2002: 16.691
- 2003: 15.057
- 2004: 9.132
Insgesamt waren in Österreich bis Ende 2004 76.178 Aufenthaltsverbote aufrecht. Davon 29.848 wegen Mittellosigkeit, 16.463 wegen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit". (Quelle:
BMI)
[2] Die so genannte Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung der Europäischen Union, nach der der EU-Mitgliedstaat bestimmt wird, der für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Grundgedanke der Verordnung ist, dass jedeR Asylsuchende nur einen Asylantrag innerhalb der Europäischen Union stellen können soll. Welcher Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, wird durch die in der Verordnung genannten Kriterien bestimmt. Stellt der/die Asylsuchende dennoch in einem anderen Mitgliedstaat seinen/ihren Asylantrag, wird kein Asylverfahren durchgeführt und der/die Asylsuchende in den zuständigen Staat deportiert. Die Kriterien zur Bestimmung der Zuständigkeit folgen im Wesentlichen dem Grundgedanken, dass der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein soll, der die Einreise veranlasst oder nicht verhindert hat.
[3] Frauen, die der sexuellen Ausbeutung entkommen indem sie ihre Zuhälter anzeigen, kann selbst das zum Verhängnis werden. Prostitution kann als Grund für die Erteilung eines Aufenthaltsverbotes dienen!
[4] Tritt am 1. Jänner 2006 in Kraft. Wurde am 7. Juli 2005 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen im Parlament beschlossen.
[5] Selbstmorde in Schubhaft - eine Chronologie: No-racism.net
[6] Berichte zum Tod von Yankuba Ceesay: [1] / [2]
[7] Informationen dazu auf No-racism.net. Website des Unternehmens EU-Homecare.
[8] Im Dezember 1998 kam Marcus Omofuma in Schubhaft. Am 1. Mai 1999 sollte er mit dem Flugzeug über Sofia nach Nigeria abgeschoben werden. Er war aber bei der Zwischenladung in Sofia bereits tot! Während des Fluges schnürten die drei begleitenden Polizeibeamten seinen Brustkorb mit Klebebändern ein und verklebten ihm den Mund sowie die Nase, woran er schließlich erstickte.
[9] Aus: Schubhaft abschaffen! - Flugblatt zur Forderung nach sofortiger Abschaffung der Schubhaft: Informationen zur Schubhaft, Abschottung, Asylverfahren und Kriminalisierung, Jänner 2004. Link