Von Dr. W. Reiniger |
Der Rohstoff für alle Haschischzubereitungen ist der in die Reihe der Urticalen gehörende Hanf, Cannabis sativa L. Als Urheimt dieser Pflanze wird meistens Zentralasien angenommen, von wo aus sie sichfrühzeitig nach den übrigen Gebieten Asiens, sowie nach Europa und nach Afrika verbreitete. In Amerika soll der Hanf durch die Spanier eingeführt worden sein, und zwar zuerst in Chile, nach anderen waren es Negersklaven, die ihn in die Neue Welt eingeschleppt haben.
Der Hanf ist ein zweihäusiges, kraut-oder staudenartiges Gewächs; die weibliche Pflanzen erreichen in manchen Gegenden Höhen bis zu sechs oder sogar acht Metern, die männlichen werden meistens weniger hoch als die weiblichen und haben dünnere Stengel. Die schwächere Ausbildung der männlichen Hanfpflanze hat dazu geführt, daß sie in der älteren botanischen Literatur öfters mit der weiblichen verwechselt wurde; darauf deutet auch hin, daß die alten deutschen Worte "Fimmel" (von femella) und "Mäschel" (von mascula) für den männlichen, bzw. für den weiblichen Hanf benutzt wurden und nicht umgekehrt.
Für die Bereitung der verschiedenen Haschischsorten komtt vor allem das an den höher gelegenen Blättern, Stengeln und an einigen Teilen der Blütenstände ausgeschiedene Harz in Betracht. Zur Blütezeit erscheint nämlich an den genannten Stellen neben der gewöhnlichen Behaarung der Pflanze eine besondere Art hellglänzender Haare, von Kolben- oder Scheibenform. Von weitem machen die Pflanzen den Eindruck, als seien sie mit kleinen silbrigen Tautropfen bedeckt; streift man mit der Hand darüber, so wird sie mit einer klebrigen, stark riechenden Harzschicht überzogen. Diese neu entstandenen Haare,die beim weiblichen Hanf viel zahlreicher auftreten als beim männlichen, sind es, die in der Hauptsache das Harz enthalten.
Der Umstand, daß der Hanf hinsichtlich der Harzerzeugung weitgehend von klimatischen Verhältnissen abhängig ist und daß in Übereinstimmung damit auch sein Habitus je nach der Gegend wechselt, führe häufig dazu, daß von Naturforschern und Botanikern wie G.E. Rumphius (1627-1702) und J.B. de Lamarck (1744-1829) verschiedene Hanf-Spezies angenommen wurden. Die Identität dieser vermeintlichen Arten wurde aber später erkannt, und J. Bouquet stellte im Jahre 1912 einwandfrei fest, daß alle vorkommenden Formen klimatisch bedingte Varietäten von Cannabis sativa L. sind.
Als wichtigste dieser Varietäten unterschied er: Cannabis vulgaris oder Cannabis sativa typica, ein krautartiges Gewächs, da nicht höher als 1,7m wird; es ist dies auch die in Nord- und Osteuropa zur Fasergewinnung kultivierte Form des Hanfes. Cannabis sinensis, ein Staudengewächs, das oft Höhen bis zu 6m erreicht und vorwiegend in China vorkommt, aber auch nach Südeuropa zur Fasergewinnung eingeführt wurde. Cannabis indica gedeiht als 2-3m hohes Staudengewächs nur in heißen Gegenden, bei kühlerem Klima werden nur Höhen von 1-2m erreicht. Die Pflanze ist reicher verzweigt als die früher genannten Varietäten, sie eignet sich weniger zur Fasergewinnung und ist als das eigentliche Haschischgewächs anzusehen.
Die klimatisch bedingte Fähigkeit von Cannabis indica, berauschend wirkende Stoffe zu produzieren, scheint in einem reziproken Verhältnis zur textilen Brauchbarkeit der Fasern zu stehen. So berichtet Engelbert Kämpfer schon 1712, daß der Hanf, der in der Gegend von Isfahan wuchs und sich durch die stark berauschende Wirkung seines Harzes auszeichnete, bei der Verpflanzung in andere Gegenden diese Eigenschaft vollständig verlor. J.B. Gastinel schilderte 1849 folgende Beobachtung: Als der ägyptische Vizekönig Mehemed Ali für seine geplante Kriegsflotte Seile brauchte, legte er in Ägypten Hanfkulturen an, für die er die Samen von besonders faserreichen Gattungen aus Europa kommen ließ. Es zeigte sich aber, daß die in den neuen Kulturen wachsenden Pflanzen ihre Eignung für textile Zwecke in kurzer Zeit völlig verloren und dafür Harz mit stark berauschenden Eigenschaften lieferten.
Als wichtigstes Produktionsgebiete des Haschisch sind gewisse Gegenden Indiens und Zentralasiens anzusehen. In Bengalen und an der Malabarküste wird die Aussaat zwischen Mai und August auf ausgesuchtem und gründlich vorbereiteten Boden vogenommen; im November oder Dezember inspiziert ein englischer Regierungsbeamter, der "Poddar" oder "Ganja-Doktor" genannt wird, die Pflanzungen. Er läßt die männlichen Pflanzen ausreißen und über den weiblichen schütteln, damit eine Befruchtung stattfindet; im Februar oder März wird geerntet, wobei die weiblichen Pflanzen kurz unterhalb des Blütenstandes abgeschnitten werden. In Afghanistan und Persien, wo man unmittelbar auf die Gewinnung des Harzes abzielt, sät man im Frühjahr aus und erntet im Herbst.
In Indien kommen die Hanfprodukte in drei Sorten in den Drogenhandel: als Bhang, Ganja und Charas. Der Bangh, der aus den Blättern gewonnen wird, hat den geringsten Harzgehalt. Ganja, der aus den harzigen weiblichen Blütenständen besteht, kommt als "Large-flat twig" oder als "Small-flat twig" in den Handel; außerdem aber auch noch in anderen Zubereitungen. Infolge ihres hohen Harzgehaltes ist allen Ganjasorten ein starker, berauschender Duft eigen; sie werden deshalb von den Haschischsüchtigen besonders geschätzt.