Martin P., ein befreundeter Musiker, machte sich ehedem auf die Suche nach den Magic-mushrooms, welche sich in unseren Bergen verstecken sollten. Und nicht nur er, sondern auch ich machte mich auf die Suche. Ich war aber nicht so erfolgreich. Ich durchsuchte das Stubaital und fand nichts. Martin wurde aber im Sellraintal, genauer im Praxmar und Lüsens fündig. So lud er mich auf eine folgenschwere Party ein. Ich fuhr mit meiner Enduromaschine gegen die Berge bis wir im Praxmar angekommen waren. Dort war ich seit meiner Jugend nicht mehr gewesen. Der Letzte, der mit mir dort gewesen war, war mein Opa, der mit mir dort drinnen Wanderungen unternommen hatte. Doch eines Tages war es soweit, Martin rief mich an, lud mich ein und wir packten Plane, Schlafsäcke und Isomatten zum Übernachten ein und fuhren in das Praxmar-Lüsensgebiet ein. Dort zeigte er mir eine eingezäunte Wiese, die von Schafen beweidet wurde und - ja - es gab sie. Viele Tausend kleine Mushrooms wuchsen dort auch noch. Wir sammelten Hunderte von ihnen ein und fuhren gegen Himmel so stark waren die kleinen Teufel. Martin war inspiriert und komponierte ein eigenes Lied über die Magics. Auf jeden Fall blieben wir diese Nacht oben liegen. Unter einer Plane konserviert - trotz Regen - in der Kälte auf unseren Schlafsäcken zusammengekuschtelt trippten wir gegen Morgen. Heruntergekommen wurden wir gleich von den Gemeindearbeitern erwartet, die sich schon Sorgen um uns gemacht hatten, weil wir eine ganze Nacht am Berg verschollen waren. Eine ungemein starke und tiefe und stark visuelle Erfahrung hatte ich dort gemacht im Praxmar-Lüsens. Doch dies sollte erst der Beginn einer langen Zeit mit tiefen und ernsthaften Erfahrungen werden.
Das Gebiet im Praxmar ergab sich als unser Haupterntegebiet. Wir alle fuhren hinein, um Pilze zu ernten. Jedes Jahr im Oktober ging es los. Die ganze Szene setzte sich gegen dies ungemein bekannte Plätzchen in Bewegung und man konnte so auch dort jeden treffen. Man fuhr einfach nach Praxmar-Lüsens. Jeder im Herbst. Das Gebiet war ergiebig an magic-mushrooms. Tausende, dieser kleinen Freunde konnten wir jedes Jahr abernten, trocknen und natürlich einlegen. Das Geschehen teilte sich auf mehrere Erntegebiete auf. Immer mehr Fremde fuhren in das Bergtal hinein, um zu ernten. Es war eigentlich unglaublich, das sich das Ganze sogar bis in das benachbarte Deutschland, bis nach Garmisch, herumsprach und von dort aus Menschen in das Hochtal aufbrachen.
Das Ganze begann sich zu etablieren. Immer mehr Freunde von uns fuhren in das Tal hinein um Pilze zu ernten, so dass ein Basiscamp noetig wurde. Meine Freunde organisierten dies ehedem auch. So fragten sie einen der Bauern, der dort Wald besass, ob sie im nahegelegenen Waldstueck, auf einer Lichtung, ein Tipi (Zelt der nordamerikanischen Praerieindianer) aufstelllen konnten und dieser erlaubte es auch. Aber nur für eine Woche, wurde besprochen. So wurde das mehrere Meter hohe Zelt hineintransportiert und auch die Poles (Stangen) des Zeltes, was nichts anderes als meterlange Bäume sind, die glatt und astlos gehalten wurden hinaufgeschleppt und mit vereinten Kräften wurde das Zelt aufgestellt. Es dauerte nicht lange und eine Traube von Hippies waren in und um das Zelt versammelt, rauchten chillams mit Haschisch und trockneten ihre gesammelten Pilze im Schatten des Zeltes. Einige von uns gingen auch auf eine magic-mushroom Erfahrung ein und trippten gegen Morgen. Nach der Woche kam es uns wie einem Frevel gleich, das etablierte Festzelt abzubauen.
Nachdem das Tipi abgebaut worden war, zeigte sich immer mehr ein Problem auf, das die Bestimmung dieser Landschaft werden sollte. Die Aberntung wurde so stark, dass man kaum mehr Pilze fand. Vielleicht 20 oder 30 Stueck auf einer Wiese am Tag, doch dafuer suchte man schon mal ein bis zwei Stunden. So kam es, dass immer weniger Menschen zur Ernte fuhren und die Tage, wo man die einzelnen Hippies zählen konnte, waren vorbei.
Heutzutage ist es ein kaum mehr rentabler Ernteplatz, obwohl noch immer viele Menschen in das Hochtal fuhren und fahren. Die Natur wird auf jeden Fall noch einige Jahre benötigen, um sich von diesem Ansturm zu erholen. Das Such- und Sammelgeschehen hat sich inzwischen auf andere Plätze verlagert und die Suche nach den kleinen, braunen Freunden wurde allgemein zum Volkssport.
Foto: © by Gerald Streiter, Oktober 2010.