Der Begriff "Anarchie" im Journalismus

Dass vielen Menschen die Realität am Arsch vorbeigeht und sie viel lieber in ihrer Traumwelt bestehend aus "Kronen Zeitung", "Explosiv" oder den tollen RTL 2 Reportagen leben, ist nichts wirklich Neues. Warum soll mensch sich auch für Tatsachen interessieren, die eine/n eh nicht direkt betreffen und keine direkten Auswirkungen auf ihr/sein Leben haben. Und neben all dem Stress ihrer/seiner Karriere zu liebe, hat mensch für solche "Spässe" sowieso keine Zeit.

Dass aber in unserer hochzivilisierten Welt mit dem Begriff Anarchie so ein Schindluder betrieben wird, bringt mich zum kotzen. "Anarchie in Argentinien", "Anarchie in Venezuela", und so weiter und so fort... Doch wollen solche Schlagzeilen nicht aussagen, dass dort die Soziale Revolution stattgefunden hat und es ab sofort keine herrschende Klasse mehr gibt, sondern einfach den Umstand, dass in den jeweiligen Ländern mittels Staatsgewalt gegen aufständische und unterdrückte Bürger gekämpft wird. Es geht noch viel weiter. Zitat "Kurier" vom Sonntag, 28. September 2003:

"...dieser irakische Mann hat vor wenigen Tagen seine elfköpfige Familie erschossen und Selbstmord begangen. Als Grund für das Blutbad nennt die irakische Zeitung „el Tak´ih“ Resignation und tiefe Depression. Wie viele Iraker konnte auch Abdullah den Lebensunterhalt für seine Familie nicht mehr aufbringen. Er habe zur Waffe gegriffen, weil er seinen Angehürigen ein Leben in Elend und Anarchie ersparen wollte."

Yeah! ;o) Wie dumm kann Journalismus sein? Was bewirkt diese Ausdrucksweise, die ja unter anderem die Aussicht auf ein Leben in Anarchie als Todesursache feststellt, bei den Bürgern/innen? Angst vor so genanntem herrscherlosen Leben und Vorurteile gegenüber Anarchisten/innen. Doch viele Bürger/innen wissen ja nicht mal, dass Anarchie eine freie, selbstbestimmte Lebensweise ist, sondern assoziieren damit einfach nur Chaos, Unordnung und „alles ausser Kontrolle“. Logische Konsequenzen: Anarchisten/innen werden abgestempelt als Gewalttäter/innen, Chaoten/innen (natürlich im negativen Sinn!) und Menschenhasser/innen. Das sind aber nicht die einzigen solcher inkompetenten Bezeichnungen. Vergessen wird dabei immer, dass es sich hierbei um Personen und Menschengruppen handelt, die für ein freies und selbstbestimmtes Leben für JEDEN Menschen auf der Welt propagieren und aktiv sind, also Sozialisten. Und nichts anderes als den uneingeschränkten, nämlich libertären Sozialismus drückt der Begriff Anarchie aus.

Aber warum verleiht die Presse diesem Wort den falschen Sinn und Zweck? Das hat Gründe: Der/die Inhaber/in der Zeitung ist Kapitalist/in und erzielt ihren/seinen Profit nicht aus objektiver Berichterstattung, sondern in erster Linie aus Täuschung und Angstmacherei. Der/die brave Bürger/in muss auf die vermeintliche Gefahr, die vom Anarchismus ausgeht, aufmerksam gemacht werden. Dass der Begriff dabei (absichtlich) falsch verwendet wird und der/die Leser/in ein falsches Bewusstsein entwickelt, wissen wenige - ist aber nachvollziehbar: Denn was wäre der „Zeitungsboss“ ohne ihre/seine „Untertanen“ in der heutigen Welt aus Herrschern und Beherrschten, sprich: Wie lebe er/sie in einer Anarchie? Er/sie wäre gleich wie alle anderen Menschen. Das wiederum gefiel dem Chef/der Chefin überhaupt nicht, denn ihr/sein Lebensstil im Überfluss würde nicht nur hinterfragt, sondern abgeschafft. Dazu gesellt sich die Angst der Reporter/innen, Journalisten/innen und Redakteure/innen vor Arbeitslosigkeit, würde mensch sich objektiv und sinngemäß mit Anarchie befassen. Denn dann stempeln ihn oder sie Staat und Herrscherklasse als Sympathisant/in der klassenlosen Gesellschaft ab. Daraus resultiert höchstwahrscheinlich die (vom Staat erzwungene) Auflassung einer solchen journalistischen Einrichtung oder einfach der Rauswurf des/der „Sympathisanten/in“. Oder aber die jeweiligen Redakteure/innen oder Reporter/innen haben wirklich keine Ahnung und verwenden „Anarchie“ im Zusammenhang mit Chaos, weil es dem Volksmund schon immer so aufgebrummt wurde.

Wie kann mensch hier noch von grenzenloser Pressefreiheit sprechen, oder gar über kompetente Berichterstattung? Eine Utopie? Nicht ganz, denn solang es solche Medien wie Indymedia gibt, werden den Menschen auch nützliche Informationen zugeführt. Und schlussendlich bleibt es eh jeder/m selbst überlassen, ob sie/er den Nachrichtenmedien glaubt oder nicht. Am besten ist - wie immer wieder gepredigt - sich eine eigene Meinung zu bilden, wo es nur möglich ist und all die Scheisse kritisch zu hinterfragen.
(Öltsch)