Gott und Kirche

Ok, ok, langsam. Während ich hier so vor meinem PC rumsitze findet gerade das Begräbnis vom Vater meines besten Freundes statt. Ich hab im vorhinein gemeint, dass eh alle wissen, was ich davon halte und darum nicht gehen werde. Ausser es ist der ausdrückliche Wunsch meines Freundes ? was es jedoch nicht war. Darum sitz ich jetzt hier, während alle anderen in der Kirche seinem Vater die letzte Ehre erweisen. Hab sogar gerade mit meinem Vater über das Thema "Begräbnis" diskutiert. Und ich hab ihn mit der Frage konfrontiert, mit der ihn niemand zuvor konfrontiert hatte. Nämlich ob er es wollen würde, dass ich auf sein Begräbnis komme. Er war völlig baff. Ich wusste, dass er mich nicht verstehen würde. Trotzdem finde ich, dass so etwas angesprochen gehört. Ich weiß auch, dass das ganze kirchliche und christliche, überhaupt göttliche so tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, dass die Menscheit allgemein andere Ansichten gar nicht mehr zulässt. Und gerade darum, gerade bei einer der fragwürdigsten Geschichten, eine Geschichte, deren Anfang bis hin zum Ende so oft erzählt wurde, so oft übersetzt wurde und so oft benutzt wurde, um andere Menschen zu jagen und dann zu vernichten ? gerade hier MUSS man jedes einzelne Detail hinterfragen. Die Kirche als Vermittler zwischen Mensch und Gott hat es sich so eingerichtet, dass sie mit ihrer Gewissensrederei und Verteufelung von vielen Dingen (Kondome, Abtreibung, etc.) eine Welt geschaffen haben, in der die Angst regiert. Kirchen tragen zu einem absolut inhumanen Weltbild bei. Kinder verrecken weil es zu wenig Nahrung gibt. Ein Grund dafür ist die Kirche, die einen Gläubigen unter anderem nur dann zu einem Gläubigen macht, wenn er nicht verhütet. So explodiert die Bevölkerung vor allem in afrikanischen Staaten, deren Völker sich sehr stark vom Glauben abhängig fühlen (die Gründe dafür muss man im Nord-Süd Konflikt suchen - würden hier den Rahmen sprengen). Dass der Geschlechtsverkehr ein vollkommen natürlicher Trieb, vielleicht sogar angeboren (Instinkt) ist, dürfte auch dem alten Arschloch in Rom klar sein. Sei es Allah, sei es Jesus oder andere höhere Zauberer ? sie wurden von Menschen erfunden um anderen Menschen Angst zu machen. Um die Menschen kontrollieren zu können. Um mit der Angst die Kontrolle zu erreichen. Brauchen wir Gott, der uns sagt: "Du darfst nicht töten."? Nein, wir sind intelligente Menschen. Wir wissen ohne Gott, dass man andere Leute respektieren und lieben soll. Wir wissen ohne Gott, dass man genau das ist, was man ist. Ein Mensch mit Gefühlen und Gedanken. Verletzlich, zutraulich und in jeder Lebensbedingung ein bisschen unsicher.

Um zum Begräbnis zurück zu kommen: Manche Menschen fühlen sich schlecht, sollten sie ein Begräbnis nicht besuchen. Darum besuchen sie es. Genau so fühlen sie sich dann als "besserer" Mensch mit reinem Gewissen. Danach geht Herr oder Frau wieder brav zur Arbeit ins Büro (oder wohin auch immer...) um dort dann nur mehr für sich selbst zu denken. Und genau hier muss angesetzt werden: Es macht Mensch nicht zum besseren Mensch, wenn er in der Kirche mit den Angehörigen trauert. Er bekommt nur ein gutes Gewissen. Flucht vor dem realen Leben, man sucht Schutz vor seiner eigenen Grausamkeit. Man will sich dafür entschuldigen, ohne etwas wieder gut zu machen. Ein Stunde sitzen, Hände falten, das war's dann. Kein Geld ausgegeben, keine Arbeit getan und vor allem nur eine Stunde seines Lebens "verschwendet". Danach mit neuer Kraft und als "guter" Mensch zu seinen nächsten Untaten. Konkret wäre das zum Beispiel eine Kuh, eine "Kreatur Gottes", zu verzehren. Diese Widersprüche dürfen ohne die Bestrafung Gottes weitergedacht werden.

Nehmen wir den Kirchengang der älteren Generation. Die Generation, die den zweiten Weltkrieg als Zehn- bis Zwanzigjährige(r) miterlebt hat und welche von Menschen grossgezogen wurde, die im Namen der Nation oder des Führers direkt (Soldat) oder indirekt (Rüstung ? Frauen etc.) töteten. Die Generation, die das Land wieder "aufgebaut" und sich dem Kapitalismus unterworfen hat (und somit die Weichen für die heutige Unterdrückung in Form von Sexismus, Faschismus oder engstirnige Selbstherrlichkeit, genannt Patriotismus, gestellt hat). Ihnen wurde der Glaube wie auch schon bei vorigen Generationen in jungen Jahren aufgetischt. Sie lernten die Ehrfurcht vor Gott und lernten, ihr Handeln vor Gott zu vertreten und zu rechtfertigen. So begibt sich zumeist die ältere Generation in die Kirche und will so - aus Angst getrieben - sicherstellen, dass man sein Leben als guter Mensch abschliesst (und irgendwie doch in den Himmel kommt). Diese "ältere Generation" wird es vermutlich auch immer geben. Sobald man mit seinem eigenen Tod konfrontiert wird, macht sich die verständliche Ungewissheit breit, was danach kommen könnte. Die Zuflucht über die Kirche zu Gott ist in diesem Sinn nichts Schlechtes will man meinen. Die Leute, die in der Kirche für ihre "Zukunft" oder die Zukunft ihrer Nachkommen beten, bewirken jedoch absolut nichts. Ausser, dass sie sich selbst ein besseres Gefühl verschaffen, was man als Egoismus etikettieren kann. Würde man die Stunden alternativ nutzen (den Enkelkindern vom Krieg erzählen als naheliegendes Beispiel) und nicht in Selbstmitleid über die Sinnlosigkeit des Seins, der Angst vor dem Vergessenwerden und der (un)vollbrachten Taten versinken, wäre dem Allgemeinwohl mehr geholfen. Nicht nur dem, sondern auch Oma und/oder Opa selbst würden durch ihre Taten neue Kraft schöpfen und den Sinn des Lebens, in diesem Fall Weitergabe von Wissen und Erfahrungen, erkennen.

Die Beichte, zu welcher man schon in der Volksschule gezwungen wird: Erwies und erweist sich ein bestimmtes Handeln gegenüber Mitmenschen (und nicht einmal gegenüber Lebewesen im Allgemeinen - man denke an "Kreaturen Gottes"!) als nicht korrekt, so bedient man sich der Beichte als Entschuldigung. Eine Art Abwurf des Balastes, den man vor der Beichte ständig vor sich mitzuschleppen hatte. Doch was ändert die Tatsache am weiteren Leben, wenn man einem Pfarrer seine schlechte Seite preisgibt? Der Wille zur Wiedergutmachung besteht nur darin, irgendjemandem sein Gesülze vorzuhalten. Simpel: Man will die Scheisse gar nicht wiedergutmachen, sondern nur zeitsparend und anonym sein Gewissen bereinigen.

Im übrigen muss man auch noch anmerken, dass man für ein anderes Leben - ein Leben voller Spass, Action ("richtiger" Spass und "richtige" Action!) und allem weiteren "gotteswidrigen" Verhalten ? auch kein anderes höheres Wesen braucht. Die Rede ist von Satan oder dem Teufel. Man braucht auch diese "böse" oder "gute" (kommt wie immer auf das jeweilige Verständnis an) Gestalt nicht, um sich seiner Taten zu rechtfertigen. Die einzige Rechtfertigung, die man als REAL betrachten sollte und muss, ist die Tatsache Mensch zu sein. Mensch macht Fehler, Mensch handelt manchmal unlogisch und Mensch liebt und hasst. Und Mensch muss auch soviel Mensch sein, für seine Taten einzugestehen. Und nicht als "Kreatur XYs" (beliebige überirdische (irreale) Gestalt einsetzen).

Die Lösung des gesamten Angstproblems im Zusammenhang mit Gottesfürchtigkeit befindet sich in diesem Text zwischen den Zeilen. Mensch muss seine Probleme und Ängste SELBST in den Griff bekommen. Nur er/sie selbst hat es in der Hand, seinem/ihrem Leben den gewünschten Wert zu geben. Geben Eltern (oder Ersatzeltern) ihren Kindern schon in jungen Jahren ein verantwortungsvolles Bewusstsein, Liebe und Respekt mit (wie ich es mir in einer anarchistischen Gesellschaft zweifellos vorstellen kann!), dann braucht man auch keine Angst vor einem unerfüllten Leben haben. Fehler werden nicht mehr als Scheitern vor Gott, sondern als Erkenntnis und Erfahrung gesehen. Und das ein Leben lang. Hier wäre man an einem Punkt angelangt, an dem Gott und Kirche für überflüssig erklärt werden können. Ein weiterer Bereich, der im Namen einer absolut herrschaftsfreien und friedlichen Welt verändert wurde.
(Öltsch)