Wie DIY sind DIY HC/Anarchxpunk Strukturen?

Dass D.I.Y. (Do it yourself) mittlerweile zu einem gewöhnlichen Marketing Werkzeug verkommen ist, ist keine neue Erkenntnis. Der Grund dafür ist das Paradigma des Kapitalismus und wir Leute, die es einfach nicht schaffen, daraus auszubrechen. Wie auch, wenn um uns herum alle nach Münzen und Papier mit höchstmöglichen Zahlen nachlaufen. Es fängt bei mir selber an, und zwar wenn ich darauf bedacht bin, beispielsweise ein Konzert halbwegs mit dem magischen finanziellen Null abzuschließen und hört noch lange nicht auf, wenn ich möglichst billig im Supermarkt einkaufen geh'. Nicht weil ich billig an sich einkaufen will, sondern weil Geld leben bedeutet (so manche verweigern natürlich diese perverse Realität) und wenn mensch so billig wie möglich einkauft, dann hat mensch auch nachher noch etwas für andere Sachen übrig. Wie wir wissen: Je billiger die Ware, desto schlechter die Bezahlung der Arbeiter/innen, die das produzieren und um so billiger müssen dann auch diese Arbeiter/innen einkaufen - den Teufelskreis hat der gute Marx auch schon erkannt (mensch muss kein Marxist sein, um Marx'sche Erkenntnisse zu nutzen!). In der heutigen Zeit checken die Leute das leider nicht mehr - früher noch ansatzweise, wie sonst hätten grosse Bewegungen stattfinden können? Womit wir bei der DIY HC/Punk Szene wären, die auch nicht (mehr) mitbekommt, wie sie erstens von Klischees, zweitens von immer den selben, gleichbleibenden Inhalten und Denkweisen und drittens vom Ausbeutungsverhältnis dominiert ist. Zu zweitens und drittens mag ich keine Zeilen verlieren, das ist bei einer Szene, die grösstenteils nicht mal mehr im Stande ist, ihre eigenen Strukturen aufzubauen (Stichwort: Myspace.com - was für Loser sind wir eigentlich!?) überflüssig. Das Ausbeutungsverhältnis ist viel interessanter, weil meines (bescheidenen) Wissens nach noch nicht richtig thematisiert:

Einfach formuliert: Es gibt einige, die produzieren bestimmte Sachen (Platten, Zines, Dienstleistungen wie Konzerte, etc.) und andere, die konsumieren das. Zuerst will ich auf den Widersprüchen derjenigen rumhacken, die etwas produzieren: Bei Platten gibtz dann das Presswerk, das die LPs, 7"es, 10"es, CDs produziert, was absolut nix mit D.I.Y. zu tun hat. Bei Zines und Platten braucht mensch dann auch noch Papier, was mensch auch nicht selbst in irgendeiner Papierfabrik herstellt; aber vielleicht fellt wer von euch da draussen ja selbstständig Bäume? Was aber auch nicht passen würde, weil Anarchxpunks setzen sich ja für die Umwelt ein - und meinen, jeder gefellte Baum ist ein Akt gegen die Natur. Und weil's so schön ist, werden auch noch gleich Fruit of the Loom (!), B & C, Rykstar oder Olivier T-Shirts mit schwarz-weißen Motiven gegen Krieg, Ausbeutung, Religionen, etc. bedruckt. Oi!

Konzertveranstalter/innen kaufen Getränke von Firmen, die ihre Arbeiter/innen ausbeuten. Ausserdem beziehen sie Strom von Elektrizitätswerken, die auch von der Lohnarbeit ihrer Arbeiter/innen profitieren. In Tirol die landeseigene Tiwag, die bei allem Pochen auf Wasserkraft auch noch null Probleme mit Atomstrom haben. Mein PC wird eh gerade davon gespeist - ein nihilistisches, weil zynisches "cool" sei mir erlaubt!

Ein weiterer Akteur, vermutlich auch der wichtigste, den es zu "enttarnen" gilt, sind die Kapellen. Warum der wichtigste Akteur? Weil sich die ganze Punkszene um diese dreht! Labels für Kapellen, Konzerte für Kapellen, der Grossteil der Zines für Kapellen. Ich bin für Napalm Death's "Scum" LP!!! Ausserdem auch für Deviated Instinct's "Rock'n Roll Conformity" LP! Weiters bin ich für den xten Auftritt von Doomtown (spätestens jetzt wollt ihr mir eine reinhauen, oder? Haha). Und Faulzahn für die Aufrechterhaltung der Szene obwohl ich sie ja so gerne zerstören würde - aber nur, wenn darauf die Revolution folgt. Die blödeste Rhetorik der Welt: Weil eine Revoltion (die alles besser macht, wohlgemerkt) nicht ansteht, mach ich halt das, was alle Möchtegern Anarchxs machen: Ich erhalte die Szene aufrecht! Ist leichter und mensch kann sich besser profilieren. Zurück zum Akteur "Kapelle": Die kaufen Equipment (die Typen, die früher From Ashes Rise hießen, bauen sich das Zeux selber zusammen, aber wo kommen die Einzelteile her!?), das auch von Arbeiter/innen zusammen gestöpselt wird (von dort!). Und schlussendlich wollen dann noch viele auf ein möglichst namhaftes Label: 625, Hardcore Holocaust, Yellow Dog oder Havoc sind u. a. sehr angesagt; womit wir wieder beim zweiten Absatz (da oben!) wären.

Und nun zum letzten Akteur, ohne den natürlich erst recht nix laufen würde: Der/die "Konsument/in". Fröhlich nach dem gewissenhaften Einkauf eines D.I.Y. Produktes gehtz gleich weiter auf die Suche nach dem nächsten Gut. Zines, Aufnäher, Platten, CDs und T-Shirts helfen einer/m halt durch den standardisierten und im Grunde genommen mehr oder weniger langweiligen Alltag. Ausserdem brauchtz Zugehörigkeitsgefühl und Sehen und Gesehen werden! Hey, ich find mich auch geil mit Sick Terror T-Shirt (weil die richtig gut sind, meine aber jetzt nicht musikalisch, hähä). Wirklich schlimm ist hierbei aber, dass sich der Grossteil der Leutz tatsächlich voll geil vorkommt, wenn mensch da mitspielt. Ich hab nix gegen Leutz, die sich selber mögen, aber ich hab etwas gegen Leutz, die meinen hier sei alles korrekt und frei von Widersprüchen, sprich hier wird kein Ausbeutungsverhältnis unterstützt. Natürlich wird es das: Welche Kapelle, die möglichst den edlen DIY Ethiken entsprechen will, kann bitte davon (über-)leben!? Da muss ein Job, der das System aufrecht erhaltet, zur Lebensfinanzierung her. Schon allein deshalb, weil diejenige Kapelle meist eh mit Verlust aussteigt (nicht genug Plattenverkäufe, nicht genug Kohle für ein Konzert bekommen, etc.) und eh nur in ihrem eingegrenzten musikalischen Punklebensbereich halbwegs nach der DIY Ethik handeln kann - wenn's um's Essen, Wohnen, etc. geht, spielen wir alle mit. Ausser den paar glücklichen, die in besetzten Häusern von der Staatsmacht und vom Kapital auf die Dauer toleriert werden und es tatsächlich schaffen von Betriebskosten befreit zu werden, also unentgeltlich Strom und sonstigen Scheiss beziehen. Genau genommen ist das auch schon wieder Ausbeutung der Arbeiter/innen, die für die Squatter/innen umsonst Strom herstellen. Wenn schon Anspruch auf correctness, dann auch konsequent alles miteinbeziehen, gelle!

Wir sehen also: Diese Anarchxpunkszene ist angeschissen und nix ist okay. Nicht dieses Verhalten, auch nicht diese (meist nicht vorhandene) Konsequenz und schon gar nicht dieses phänomenale Ausklammern von banalen und offensichtlichen Tatsachen, Gegebenheiten und Situationen. Wir nehmen Dinge mit einer arroganten Selbstverständlichkeit in Anspruch, gegen die wir verbal (auf Demos, Kundgebungen, etc.) wettern und donnern bis die Leutz kopfschüttelnd davon rennen. Zum Einen weil sie ("die Leutz" aka brave Bürger/innen) einfach zu doof für alles sind, sprich mit Kronen Zeitung (or: fill in your boulevard paper) Niveau von oben bis unten vollgekotzt sind und zum Anderen weil sie einfach solche Arschlöcher/innen sind, die auf bestimmte auf Ausbeutung beruhende Privilegien nicht verzichten wollen. Wie es konkret anders gehen soll, steht in den Sternen und kein Mensch traut sich eine Lösung zu, die nicht auf irgendwelchen alten, dogmatisierten Prinzipien beruht. Manche schreien "Anarchie", manche "Ordnung ohne Herrschaft", manche grenzen es sich für sich selber so ab, dass Sektentum entsteht. Andere leben so gut als möglich nach Leitlinien anderer Menschen (fill in your favorite theory). Doch: Alle wollen Lügen, die sie als Wahrheiten ansehen können. Weil's andere ja auch machen...
(Öltsch)