Abschlussrede der Freiraumdemo
 
Hallo!
 
Wir stehen heute hier als der Innsbrucker Teil des europaweiten Aktionstages für mehr soziale und politische Zentren. Momentan sind FreundInnen aus Amsterdam, Berlin, London, Paris, Zürich, Wien, usw. auch auf den Straßen, um besetzte Häuser zu verteidigen, um den beschissenen Zustand unserer Gesellschaft zu thematisieren und um Erfahrungen im gemeinsamen Kampf für Verbesserungen zu machen!
 
Um an die erste Rede anzuschließen: Verbesserungen, d. h. in unserem Fall: selbstverwaltete Räume werden nicht erbettelt, sondern erkämpft! Das heißt, dass wir und unsere Ziele in einem Gegensatz zum Staat stehen – wir fordern nichts vom Staat, nein, seine Versprechen und halbgaren Befriedungsmaßnahmen haben wir satt. Wenn wir etwas durchsetzen wollen – und das können wir, wenn wir es gemeinsam anpacken – dann müssen wir es GEGEN den Staat, d. h. auch gegen die Stadtregierung unter Führung von BgmIn. Hilde Zach durchsetzen. Frau Zach und ihre Schergen werden uns nichts schenken, nichts finanzieren und auch nicht dulden – weil wir das ganze System, in dem sich Frau Zach bewegt, in Frage stellen! Ein System, das auf dem Kommando über Menschen und ihren Tätigkeiten beruht!
 
Aber was ist die Stütze dieses Systems, das uns jeden Tag aufs Neue irgendwo einzwängt, in Rollen schiebt (zB. Mann oder Frau, schwarz oder weiß) und unsere Zeit in Anspruch nimmt? Die Stützen dieses Systems sind WIR selber! Wir machen jeden Tag das, was man von uns erwartet: Wir sind es, die gemeinsam die Unis besuchen und uns den konformen Brei namens „Wissenschaft“ reinziehen, wir sind es, die gemeinsam in Restaurants, in Bars, in Kultur- und Einkaufszentren, in Lagerhallen, auf der Straße oder auf den Schienen und am Fließband Dinge produzieren, Güter verteilen und Waren kaufen und verkaufen, die unser Überleben sichern.
 
Daneben aber versuchen einige von uns aus diesem Alltagstrott herauszutreten. Sei es im kulturellen Bereich mit selbstorganisierten Konzerten, Theaterstücken, Diskussionsabenden, gratis Essen, Kostnix-Laden oder einfach mit konsumzwangfreien Treffen, die darauf aufmerksam machen, dass es auch anders geht. Nämlich solidarisch und miteinander. Aber dies sind nur Versuche, die sehr beschränkt sind. Es sind Versuche, die wir in unserer Freizeit machen. Und in der Zeit, in der wir arbeiten, sind wir oft alleine und scheinbar machtlos. Unser wirklicher Alltag, das heißt Schule,  Arbeitsplatz oder Uni steht nur selten zur Diskussion! Aber es ist genau dies, was uns fehlt: Kämpfe dort, wo wir täglich sind, wo wir unser Geld verdienen oder wo wir aufs Geldverdienen vorbereitet werden.
 
Wir müssen über den kulturellen Bereich und über den Bereich in unserer Freizeit hinaus gehen – unsere Wut müssen wir auch in der Schule, auf den Unis und am Arbeitsplatz rauslassen. Natürlich können wir das nicht alleine – natürlich nützt es nichts, wenn einzelne von uns Radau machen – aber wenn wir es zusammen mit SchulfreundInnen oder ArbeistkollegInnen probieren – was passiert dann? Wir sollten es ausprobieren!
 
***Verschnaufpause***
 
Vieles in dieser Welt läuft hinter unserem Rücken ab – wir bekommen Lohn, zahlen damit Wohnungsmiete, Strom und Nahrungsmittel, die eigentlich vorher von uns gemeinsam hergestellt wurden. Abkassieren tun aber andere – Preisfrage: Woher kommt der Profit der Unternehmen? Woher der Profit der Immobiliengesellschaften und -besitzerInnen? Der fliegt nicht vom Himmel und wird auch nicht herbeigezaubert – der Profit ist von der Gesellschaft in großem Zusammenhang erarbeitet worden. Er wird aber nicht im großen Zusammenhang verteilt!
 
Wir glauben aber, dass man in diesem System gar nicht gerecht verteilen kann – auch wenn man es wollte! Dieses System baut darauf auf, dass ein großer Teil der Menschen in globalen Zusammenhängen Waren produziert, die sie aber erst wieder kaufen müssen! Mittlerweile werden auf unserem Planeten so viele Dinge hergestellt, wird so viel Essen erzeugt, dass man damit die doppelte Weltbevölkerung ernähren könnte. Es werden jährlich Handys, Computer, Autos und andere Konsumartikel in einer Anzahl produziert, die weit über die Milliardengrenzen hinaus gehen – was man noch so herstellen könnte, wenn man die Ressourcenverschwendung für Waffen, Munition und anderes Kriegsmaterial miteinberechnet – wir können es uns nur erträumen!
 
Dass wir mit immer weniger Arbeit immer mehr produzieren können – das dürfte heute jedem Anwesenden klar sein. Aber warum, und das ist eine unserer Hauptfragen, warum müssen wir dann noch immer so lange und oft immer länger arbeiten, damit wir uns die schönen Dinge auch leisten können? Warum müssen wir so lange arbeiten, damit wir die Miete bezahlen können, damit wir uns Konzerte, Getränke oder Kinobesuche leisten können?
 
Unsere Behauptung ist, und die ist sehr einfach, dass die ganze Welt darauf aufbaut, dass in erster Linie der Profit einiger weniger mehr zählt als das Wohl und das Leben aller. Der Staat, die Unternehmer oder die Wissenschaft sagen uns, dass der Markt sich ja eh von selbst regelt und dass man nur alles einer unsichtbaren Hand überlassen muss. Was ist das eigentlich für eine billige Art, sich so unkritisch mit unserer verrückten und ungerechten Welt zu beschäftigen? Das Übel vor unseren Augen, Armut, das immer größer werdende Kommando über ArbeiterInnen und StudentInnen, Kriege, Niedermetzeln von Aufständen, Unterdrücken von Menschen, die sich wehren und für Verbesserungen kämpfen – diese Übel werden zwar erwähnt, die Menschen reden darüber, sind sich der Ungerechtigkeiten unserer Zeit in vielen Fällen bewusst – aber sehen sich nicht imstande, etwas dagegen zu tun! Unser Vorschlag lautet – und der Vorschlag will bewusst keine Lösung sein, weil auch wir noch viel über unsere Welt lernen müssen und am Anfang sind, Zusammenhänge zu erkennen – unser Vorschlag lautet: Sehen wir uns unsere Umgebung und unser Leben genauer an: wo sind Möglichkeiten, etwas zu verbessern? Wo sind die Widersprüche? Wievielen Menschen geht es noch so wie uns selbst?
 
Wir machen einen Anfang! Weil wir nicht einsehen, warum wir einer finanzstarken Stadtregierung, superreichen ImmobilienbesitzerInnen und Chefs, die vom Bereicherungstrieb geleitet werden, Zugeständnisse machen sollten, sind wir heute hier und wollen einen Moment des kollektiven Kampfs lostreten, der – dessen sind wir uns bewusst – nicht sofort gewonnen werden kann, aber uns mal wieder zeigen wird, wie empfindlich der Staat und das Kapital darauf reagieren, wenn Menschen zusammen kommen und sagen, dass etwas nicht passt! Was würde zum Beispiel passieren, wenn man ihr Privatieigentum einem gemeinschaftlichen Nutzen zuführen will? Wir wollen es rausfinden!
 
Unser kurzfristiges Ziel heißt:
 
Ein autonomes, soziales Zentrum, befreit von Miete und Vorgaben der Politik, mögen sie sich Kulturabteilung oder DIE GRÜNEN nennen. Wir wollen einen Treffpunkt schaffen für alle, die sich kritisch mit ihrem Leben und den Verhältnissen, in denen wir eingesperrt sind, befassen wollen.
 
Wir sehen uns später!
Abschlussrede
Sonntag, 13. April 2008