Betrifft: ZeitLupe

Nr. 1 / Mai 2002


Betrifft: ZeitLupe Anton Pelinka Thomas Albrich Verein ZeitLupe
Näheres zu dieser ersten Ausgabe Thesen und Diskussion
Integration von ImmigrantInnen
in Tirol
Kommentierte Bibliographie
Neuere Literatur zur Geschichte der Juden und Jüdinnen in Tirol
Stellt sich vor: Ziele und Tätigkeiten

Betrifft: ZeitLupe

... ist ein Informationsblatt von ZeitLupe - Verein für Zeitgeschichte und Gegenwart in Tirol und erscheint mit dieser Ausgabe erstmals.

Vorerst wird Betrifft: ZeitLupe halbjährlich erscheinen und hauptsächlich als Internetzeitung verbreitet. In den E-Mail-Verteiler haben wir Personen aufgenommen, von denen wir annehmen, dass die Inhalte unserer Arbeit für Sie von Interesse sind. Unter anderem zählen wir dazu Lehrende, politische MandatarInnen, JournalistInnen, SchülerInnen und StudentInnen.

Sollten Sie sich als EmpfängerIn von unseren Zusendungen belästigt fühlen, lassen Sie es uns wissen. Eine einfache Mitteilung an die E-Mail-Adresse verein@zeitlupe.at genügt.

Was wollen wir mit Betrifft: ZeitLupe?

  1. Wir wollen in jeder Ausgabe eine knappe, pointierte Analyse oder Thesen zu einem aktuellen Thema veröffentlichen. Zwei bis drei Wochen nach dem Versand von Betrifft: ZeitLupe laden wir den/die jeweilige AutorIn und alle Interessierten zu einer Diskussionsveranstaltung ein, bei der dieses Thema vertiefend und möglicherweise auch kontrovers behandelt werden soll.
  2. ExpertInnen stellen kommentierte Bibliographien zu einem Themenbereich vor, darüber hinausgehende Informationen, etwa erweiterte Publikationslisten sollen sich dazu bald auf der Homepage www.zeitlupe.at finden.
  3. Wir planen eine Rubrik "Veranstaltungen", wollen auf neu erschienene Bücher aufmerksam machen, zu aktuellen, unsere Arbeit betreffende Themen Stellung beziehen, Sie informieren, was sich im Verein ZeitLupe sonst noch alles tut, und ein LeserInnenforum anbieten.

Sie sind eingeladen, Hinweise und Anregungen für die nächste Ausgabe bis zum Redaktionsschluss, den 25. Oktober 2002, an den Verein ZeitLupe zu senden.

Die Redaktion


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Sechs Thesen
Integration von ImmigrantInnen in Tirol

von Anton Pelinka

  1. Unsere Gesellschaft - die österreichische wie die europäische - ist durch Mobilität charakterisiert. Menschen wandern aus unserer Gesellschaft aus, Menschen wandern in unsere Gesellschaft ein.
  2. Anders als in anderen Teilen Europas oder Amerikas gibt es in Österreich keine Tradition, wie mit dieser Tatsache der Migration systematisch umzugehen ist: Es gibt keine Migrationspolitik.
  3. Dieser Umstand und die Verunsicherungen und Ängste, die mit der "Globalisierung" Hand in Hand gehen, führen dazu, dass Migration zur Mobilisierung von Vorurteilen genützt wird.
  4. Übersehen wird dabei, dass gerade auch Tirol immer schon ein Land der Wanderungen war: Ausdruck dessen sind etwa die vielen italienischen Namen auch in Nordtirol (Trentini, Nicolussi, Antoniolli, Ermacora etc.); ist die Wanderung der "Optanten" aus Südtirol 1938/39; ist der Zuzug von "Volksdeutschen" ab 1945; sind die "Gastarbeiter" seit den 60er Jahren; ist die neue Beweglichkeit, die vor allem einen "neuen Mittelstand" (besser gebildete Menschen unterschiedlicher Herkunft) nach Tirol gebracht hat.
  5. Die Beispiele traditioneller Einwanderungsgesellschaften (z. B. Nordamerika) zeigen, dass solche Wanderungsbewegungen immer wieder von Konflikten begleitet werden - dass es aber jeden Grund zur optimistischen Einschätzung bezüglich der Integrationskraft der Gesellschaft gibt - Integration im Sinne einer Anpassung der ImmigrantInnen an herrschende Muster ("Kultur"), aber auch Integration im Sinne einer Weiterentwicklung der herrschenden Kultur dank der Immigration.
  6. Die Vorstellung, dass ein Land wie Österreich ohne Zuwanderung existieren kann, ist ebenso völlig unrealistisch wie die Annahme, dass Österreich ohne Abstimmung mit den anderen EU-Staaten die Zuwanderung regeln kann.

Zu diesem Thema hält Anton Pelika ein Impulsreferat bei unserer Veranstaltung Integration von ImmigratInnen in Tirol.

Zur Person:
Anton Pelinka, seit 1975 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck, seit 1990 wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Konfliktforschung in Wien. Arbeitsbereiche: Politisches System Österreichs, Vergleich politischer Systeme, Demokratietheorie


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Kommentierte Bibliographie
Neuere Literatur zur Geschichte der Juden und Jüdinnen in Tirol

Von Thomas Albrich

Eine umfassende Geschichte der Juden und Jüdinnen in Tirol seit dem Mittelalter ist noch immer ausständig. Der letzte Versuch, diese Lücke wenigstens ansatzweise zu schließen, liegt bereits 16 Jahre zurück und entspricht vor allem im zeitgeschichtlichen Teil nicht mehr dem heutigen Stand der Forschung: Günter Pallaver (Hg.), Die Geschichte der Juden in Tirol von den Anfängen im Mittelalter bis in die neueste Zeit, in: Sturzflüge 5 (Mai/August 1986), 199 Seiten.

In den letzten zehn Jahren wurden vor allem am Institut für Zeitgeschichte gemeinsam mit Studierenden große Anstrengungen unternommen, die Geschichte der jüdischen Minderheit in Tirol von Mitte des 19. Jhs. bis zum Ende der NS-Zeit umfassend zu erforschen. Erste Ergebnisse dieser Arbeit präsentiert der von Thomas Albrich herausgegebenen Band, "Wir lebten wie sie." Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg, Haymon Verlag, Innsbruck 2000, 383 Seiten, 57 Bilder. 19 Fallstudien über Einzelpersonen und Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, zeigen einen Querschnitt durch jüdisches Leben in der Provinz und belegen, wie heterogen die Zusammensetzung dieser Minderheit vor dem "Anschluß" 1938 tatsächlich war. Nicht zuletzt wird deutlich, dass ihre Lebenswege keinesfalls nur als Vorgeschichte der Vernichtung gelesen werden dürfen. Das Buch ist als Lesebuch konzipiert, bei dem sich die einzelnen Biographien vor dem Hintergrund der Landesgeschichte wie ein Puzzle zu einem Gesamtbild jüdischer Existenz in Tirol ergänzen.

Diesem biographischen Ansatz verpflichtet ist auch die Studie von Horst Schreiber (Hg.), "Jüdische Geschäfte in Innsbruck. Eine Spurensuche" (Tiroler Studien zu Geschichte und Politik 1), Studienverlag, Innsbruck - Wien - München - Bozen 2001, 116 Seiten, 65 Bilder. Dieser Band - ein Projekt des Abendgymnasiums Innsbruck - ist die bislang vollständigste Darstellung der jüdischen Präsenz in der Innsbrucker Geschäftswelt vor 1938, die nach der Machtübernahme durch das NS-Regime mit der "Arisierung" bzw. "Liquidierung" der Geschäfte endete.

Mit Beiträgen von Wolfgang Meixner ("Arisierung") und Thomas Albrich ("Vertreibung und Holocaust") in: Rolf Steininger/Sabine Pitscheider (Hg.), "Tirol und Vorarlberg in der NS-Zeit 1938 - 1945" (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 19), Studienverlag, Innsbruck - Wien - München - Bozen 2002, wird im Herbst dieses Jahres auf rund 90 Seiten erstmals eine kompakte und geschlossene Darstellung der Verfolgungsgeschichte während der NS-Zeit vorliegen.

Wer sich auf eine historische Spurensuche jüdischen Lebens in Innsbruck begeben will, sollte Gabriele Rath/Andrea Sommerauer/Martha Verdorfer (Hg.), "Bozen Innsbruck. zeitgeschichtliche stadtrundgänge", Folio Verlag, Wien - Bozen 2000, 160 Seiten, 86 Bilder, konsultieren. In knappen Beiträgen werden u. a. das ehemalige jüdische Kaufhaus Bauer & Schwarz, das Lager Reichenau, die Synagoge und das Denkmal für die vier Innsbrucker Mordopfer des "Novemberpogroms" von 1938 auf dem Landhausplatz vorgestellt.

Eine ausführlich kommentierte Bibliographie zu diesem Thema finden Sie bald beim Verein ZeitLupe.


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Zeitgeschichte aufgreifen
unter die Lupe nehmen

Verein ZeitLupe stellt sich vor.

Der Begriff Zeitlupe stammt aus der Welt der bewegten Bilder und bedeutet Vergangenes in verlangsamter Sehgeschwindigkeit jederzeit wiederholbar vor Augen führen. ZeitLupe, der Verein für Zeitgeschichte und Gegenwart in Tirol, knüpft an diese Assoziationen an. Kern der Betrachtungen ist dabei das 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Eine Gruppe politisch engagierter und historisch interessierter Frauen und Männer beabsichtigt, verschiedene Themen der jüngsten Vergangenheit aufzugreifen.

Sie gründeten im Jahr 2000 den Verein ZeitLupe. Seit Anbeginn stehen dem jungen Verein WissenschafterInnen der universitären Institute Zeitgeschichte, Geschichte, Politikwissenschaft, Pädagogik und Soziologie sowie MitarbeiterInnen der Archive von Stadt und Land als fachlich kompetente Beiräte zur Verfügung. Als einer der breiten Öffentlichkeit verpflichteter Verein steht ZeitLupe allen Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, Hautfarbe, Altersgruppe, Nationalität, einer eventuellen Behinderung, ihrer religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Haltung und Lebensweise offen.

Gerne nehmen wir finanzielle und ideelle Unterstützung entgegen und wir fördern alle Formen angetragener Mitarbeit. Wir freuen uns auf Kontakte und darauf, die Kommunikation zwischen Generationen, Weltanschauungen, Gegensätzen, Ideologien und sozialen und gesellschaftlichen Gruppen in Fluss zu bringen.

Wichtig erscheint ZeitLupe, die Betrachtung der Vergangenheit mit der Gegenwart in Beziehung zu setzen. Die Gegenwart ist mitgeprägt von der Vergangenheit, so wie das Bild von der Vergangenheit ein Produkt der Gegenwart ist. Oder, um es anders zu sagen, die Vergangenheit wirkt bis in die Gegenwart, sie lässt sich jedoch nur mehr von der Gegenwart aus interpretieren.

ZeitLupe wendet sich gegen Intoleranz, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. In diesem Sinne sollen Traditionen belebt werden, die an Demokratie, Pluralismus und Integration anknüpfen.

Die Aufgabenbereiche

Da eine Reihe von Einrichtungen und Einzelpersonen sich mit Zeitgeschichte und deren Wirkung auf die Gegenwart bereits beschäftig(t)en, kann sich ZeitLupe auf bestehendes Wissen und Infrastruktur stützen. Sie versteht sich als Ort, an dem Informationen zusammenlaufen und Kooperationen koordiniert sowie Anfragen an kompetente Stellen weitergegeben werden können. Beispielsweise könnte ZeitLupe einen zentralen Kalender führen, der interessante Veranstaltungen in oder auch außerhalb Tirols erfasst, die mit der Zeitgeschichte in Beziehung stehen.

In der Vorstellung der "ErfinderInnen" von ZeitLupe ist sie ein Ort der Kommunikation. So könnten Generationen in der Beschäftigung mit der Geschichte miteinander in Kontakt kommen. ZeitzeugInnen, die die Zwischenkriegszeit, den Austrofaschismus, die nationalsozialistische Herrschaft sowie die Wiederaufbauphase miterlebt haben, könnten Jüngeren ihre Erlebnisse und Erfahrungen weitergeben.

Impressum und Kontaktadresse

ZeitLupe. Verein für Zeitgeschichte und Gegenwart in Tirol, c/o Andrea Sommerauer,
Wilhelm-Greil-Straße 1, 6020 Innsbruck
Telefon: (0699) 12 71 90 12
verein@zeitlupe.at
http://www.zeitlupe.at/
Redaktion: Ruth Frömpter, Oliver Seifert, Hannes Schlosser, Andrea Sommerauer

Danke an alle, die mitgedacht und unterstützt haben.


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