Muskarin, (eigen) 2-Methyl-3-hydroxy-5-trimethyl-ammomiummethyl-oxolan. (#39/71)
Amanita muscaria;
Clitocybe candicans,
C. cerussata,
C. dealbata,
C. diatreta,
C. dryadicola,
C. ericetorum,
C. festiva,
C. gracilipes,
C. marginella,
C. nuoljae,
C. phyllophila,
C. rivulosa,
C. serotina;
Inocybe acuta,
I. agglutinata,
I. boltonii,
I. bongardii,
I. brevispora,
I. brunneorufa,
I. caesariata,
I. cinnamomea,
I. cervicolor,
I. dulcamara,
I. fastigiata,
I. gausapata,
I. geophylla,
I. godeyi,
I. griseolilacina,
I. hirtella,
I. hirtelloides,
I. kauffmanii,
I. kuehneri,
I. lacera,
I. langei,
I. lanuginosa,
I. lucifuga,
I. maculata,
I. mixtilis,
I. napipes,
I. obscuroides,
I. olympiana,
I. ovatocystis,
I. pallidipes,
I. patouillardi,
I. praetervisa,
I. pudica,
I. pusia,
I. queletti,
I. sororia,
I. terrifera,
I. terrigena,
I. umbrina;
Die Verbindung wird ueblicherweise als Chlorid gewonnen. L(+)-Muscarin bildet als Chlorid farblose, hygroskopische Prismen, die gut wasserloeslich sind und laengeres Kochen unzersetzt ueberstehen. Eine geeignete Laborvorschrift zur Isolierung aus Risspilzen bringt Eugster. (#39/71)
Die Vergiftung, die durch diese Verbindung ausgeloest wird, hat nichts mit der, durch den Fliegenpilz verursachten zu tun, obwohl der botanische Name des Fliegenpilze Amanita muscaria ist. Die Wirkstoffe des Fliegenpilzes sind Muscimol und Ibotensaeure nicht Muscarin. (#39/71)
Muscarin verfuegt ueber 3 Chiralitaetszentrum, deshalb sind 8 stereoisomere Muscarine in 4 Enantiomerenpaaren moeglich: Muscarin, allo-Muscarin, epi-Muscarin und epiallo-Muscarin. Das natuerliche Muscarin ist L(+)-Muscarin, das fuer die Vergiftungen durch Risspilze (Inocybe) und weisse Trichterlinge verantwortlich ist. Die anderen enantiomeren Muskarine sind auch bereits in Pilze durch Gaschromatographie der durch Pyrolyse erhaltenen Norbasen nachgewiesen worden. Ihre Wirkung ist 600-12000 mal schwaecher als die des L(+)-Muscarins; sie sind demnach toxikologisch ohne Bedeutung. (#39/71)
Fuer Maeuse wurde die Toxizitaet des L(+)-Muscarins mit LD50=0,23mg pro kg Koerpergewicht bei intravenoeser Gabe bestimmt. Fuer den erwachsenen Menschen wird die toedliche Muscarindosis auf can. 180mg geschaetzt, nach dem Forscher Gerault. Hier sei ergaenzend nochmals bemerkt, dass die uebrigen stereoisomeren Muscarine praktisch ungiftig sind. (#39/73)
Muscarin-Syndrom: (auch Mycetismus nervosus, Syndrome sudorien, PSL-Syndrom fuer perspiration, salivation, lacrimation (engl.): Starke Schweissausbrueche, Speichel- und Traenenfluss; Bereits kurze Zeit nach der Pilzmahlzeit (wenige Minuten bis 2h, meist 15-30 Min) zeigen sich die fuer eine Vergiftung durch Muscarin typischen Symptome: starker Schweiss, Speichel- und Traenenfluss; Erbrechen, Durchfall, Bauchkoliken, Pupillenverengung, Augenflimmern, Sehstoerungen, verringerter Blutdruck, langsamer Puls und Bronchialasthma. (#39/71)
Die Wirkung des L(+)-Muscarins beruht auf seiner Aehnlichkeit mit Acetylcholin. Dieses dient als Uebertraeger (Transmitter) eines Reizes auf den Rezeptor einer zweiten Nervenzelle, einer Muskelzelle oder einer Druesenzelle. Neben diesen auf Acetylcholin ansprechenden Rezeptoren gibt es noch solche, bei denen Noradrenalin oder Serotonin als Transmittersubstanzen auftreten. Da Acetylcholin einen Ester aus Cholin und Essigsaeure darstellt, kann es durch das Enzym Acetylcholinesterase in seine Komponenten gespalten werden. Hierdurch wird die Erregung des Rezeptors rasch wieder aufgehoben. Da nun Muscarin raeumlich aehnlich gebaut ist wie die aktive Konformation des Acetylcholins, lagert es sich ebenfalls an den Rezeptor an und fuehrt, da es wegen der fehlenden Esterbindung von dem genannten Enzym nicht gespalten werden kann, zu einer gefaehrlichen Dauererregung. Eine gewisse strukturelle Aehnlichkeit besteht auch beim Atropinkation. So ist es nicht verwunderlich, dass sich dieses ebenfalls an den Rezeptor anlagert und von dort das Muscarin verdraengen kann. Da Atropin jedoch im Unterschied zu Acetylcholin und Muscarin keine Erregung ausloest, kann es als Gegenmittel der Muscarinvergiftung angewendet werden, wobei innerhalb kuerzester Zeit die Giftwirkung des Muscarins aufgehoben wird. Bereits 1869 haben dies Schmiedeberg und Koppe erkannt und die Therapie mit Atropin empfohlen. (#39/72f.)
Atropin ist das Gegengift, welches eine Vergiftung mit Muscarin aufhebt. Je nach Schwere der Vergiftung wird in Abstaenden von einer halben oder einer ganzen Stunde je 1-2mg Atropin intramuskulaer oder intravenoes gespritzt, bei Kindern je nach Alter nur 0,2-0,4mg, bis die typischen Symptome verschwinden. Sollte nich von vornherein Erbrechen auftreten, ist eine Magenspuelung zu empfehlen. (#39/73)
1869: Schmiedeberg und Koppe liefern eine umfangreiche Abhandlung ueber das Muscarin aus dem Fliegenpilz. Trotzdem der Stoff stark verunreinigt war, konnte schon die Alkaloidnatur von Muscarin erkannt werden. Leider war man bei der ersten Untersuchung des Fliegenpilzes auf das nur in Spuren vorhandene Muscarin (0,0003%) gestossen, was sowohl desssen Reingewinnung und Strukturaufklaerung als auch die Entdeckung der eigentlichen Fliegenpilzgifte um fast 100 Jahre verzoegerte. Schmiedeberg & Koppe entdeckten auch das Gegenmittel Atropin, welches eine Muscarinvergiftung aufhebt. (#39/71)
1954: Nach einem Grosseinsatz in den 30Žer Jahren, in bei dem nicht weniger als 1250kg Fliegenpilze extrahiert wurden, gelang es in diesem Jahr Eugster und Waser reines Muscarin zu isolieren. Die Roentgenstrukturanalyse lieferte dann die endgueltige Struktur. (#39/71)