(Cannabisrezeptoragonisten)
Formel aus: (#105)
Cannabinoide wurden als die Wirkstoffe der Cannabispflanze Cannabis sativa Linnaeus (auch Cannabis indica Lamarck, oder andere Cannabis-ssp.), welche eine Dibenzopyranstruktur haben, definiert.
Inzwischen gibt es jedoch eine Reihe chemisch anders beschaffener Stoffe, welche die gleiche Wirkung, wie die natuerlichen Cannabinoide besitzen. Diese Stoffe reagieren alle ueber den gleichen Wirkmechanismus im Koerper des Menschen, dem sog. Cannabisrezeptorsystem. Dadurch gehoeren sie alle zu einer Wirkgruppe fast ident wirkender Molekuele sind aber chemisch anders aufgebaut. Heute werden diese Verbindungen oftmals auch als Cannabinoide bezeichnet, was chemisch und botanisch betrachtet nicht richtig ist. Die neue Definition lautet: Cannabinoide sind die Wirkstoffe der Cannabispflanze und alle jene Stoffe, die mit dem Cannabisrezeptor reagieren. Anbei eine etwas ausfuehrlichere Darstellung der Cannabis-artig wirkenden Stoffe:
Genau genommen gibt es die klassischen Cannabinoide, welche natuerlich in der Cannabispflanze vorkommen und die Wirkungen von Marihuana, Haschisch oder Haschischoel verursachen. Es waeren delta1- und delta6-THC, aber auch Propyl-THC als Beispiele zu nennen.
Zu den natuerlichen Cannabinoiden kann man noch im entfernten die sogenannten Metabolite von THC zaehlen, also jene Verbindungen, die im Koerper des Menschen gebildet werden, wenn dieser THC, den Wirkstoff von Marihuana oder Haschisch zu sich nimmt. Es wurden folgende Metabolit von THC bis jetzt entdeckt: 7-Hydroxy-delta1-THC, 7-Hydroxy-delta6-THC, 6-beta-Hydroxy-delta1-THC; die Quelle (#136) fuehrt uebrigens andere Verbindungen als Metabolite von THC an.
Bei der Suche nach den psychoaktiven Inhaltsstoffen der Cannabispflanze wurden eine Reihe von synthetischen Cannabinoiden erzeugt, die fast, aber nicht genau die Struktur der natuerlichen Cannabinoide besitzen. Dies geschah vor allem dadurch, dass die genaue stereospezifische Ausrichtung des Molekuels bis zuletzt nicht aufklaerbar war und die Lage der Doppelbindung im 6-er Heterocyclus erst im Jahre 1965 von Raphael Mechoulam aufgeklaert werden konnte. Lange bevor der Hauptinhaltsstoff delta1-THC hergestellt werden konnte, wurde auf der Basis von delta3-THC, einem Strukturisomer des natuerliche vorkommenden THC´s, eine Reihe von Designer-THC´s entwickelt. Dieses synthetischen Cannabinoide wurden mittels einem Tierversuch, dem sog. Hund-Ataxie-Test auf ihre Psychoaktivitaet hin getestet. Es ergab sich folgendes Profil der Wirkungen:
Die getesteten Cannabinoide | Ataxie-Staerke |
1-Hydroxy-3-alkylverbindungen | |
1. n-Amyl (synth. THC) | 1,44 |
2. n-Amyl (Charas-THC) | 14,65 |
3. n-Hexyl (Parahexyl, Synhexyl) | 1,824 |
4. 4´-Methylamyl (Isohexyl) | 1,1413 |
5. N-Heptyl | 1,054 |
6. 1´-Methylheptyl | 16,413 |
7. 1´, 2´- Dimethylheptyl (RA 125A) | 60,0e |
8. 1´, 2´- Dimethylheptyl (RA 122) | 512,014 |
3-Hydroxy-2-Alkylverbindungen: | |
9. N-Hexyl | 0,028e |
10. N-Heptyl | 0,010e |
11. Cyclohexyl | 0,074e |
Abb. Diverse natuerliche und synthetische Cannabinoide und ihre "Wirkstaerke", getestet mittels dem "Hunde-Ataxie-Test"...
Nicht alle bekannten Cannabinoide wurden mit obigen Testverfahren ehedem untersucht. Es gibt noch folgende, oben nicht eindeutig zuordenbare Verbindungen, die gleich wie Cannabinoide wirken: Synthethisches "Rotes Oel", MOP (1"-Methyloctyl-Homolog des delta3-THC´s), 1",2"-Dimethylheptyl-Homolog des delta1-THC´s;
Es wurde sogar eine Verbindung entwickelt, bei der ein Kohlenstoffatom gegen ein Stickstoffatom getauscht wurde. Diese Verbindung erwies sich als wirksam und ging als "Pars Nitrogen"Analog in die chemische Literatur ein.
Wenn man schon von Cannabinoiden spricht, muss man auch jene Cannabinoide nennen, die zwar in der Cannabispflanze vorkommen, jedoch kaum eine psychoaktive Wirkung besitzen. Es waere einmal Cannabidiol (CBD) - ein Vorgaengerstoff bei der biosynthetischen Herstellung von THC - zu nennen. Aus jenem CBD stellt die Pflanze bei entsprechenden Bedinungen das hauptwirksame THC her. Es waere aber auch Cannabinol aufzufuehren, ein Stoff, der von der Cannabispflanze gebildet wird, wenn THC chemisch in der Pflanze abgebaut wird. Beide Stoffe kommen als Begleiter des Hauptwirkstoffes THC gleichzeitig in der Pflanze vor.
Es gibt auch einen cannabisartigen Stoff, der zu den Cannabinoiden gehoert, aber kaum psychoaktiv wirksam ist. Diese synthetische Verbindung heisst HU-211 und es existiert deshalb nur eine marginale Beschreibung in diesem Werk.
Anfang der 90´er Jahre des 20. Jahrhunderts konnten die inneren Mechanismen geklaert werden, welche die Wirksamkeit von Cannabinoiden im Menschen verursachen. Die Entdeckung der sog. Cannabisrezeptoren (CB1 und CB2) im Koerper des Menschen als Wirkort fuer die natuerlichen Cannabinoide zog die Suche nach inneren Stoffen nach sich. Es gelang auch Stoffe zu entdecken, welche im Inneren des Menschen, von diesem gebildet werden und welche auch die gleiche Wirkung wie die aeusserlich zugefuehrten Cannabinoide besitzen. Diese Stoffgruppe, die sog. endogenen Liganden des Cannabisrezeptors, wurden als Anandamide bezeichnet. Das Wort leitet sich uebrigens von Sanskrit "ananda" gluecklich ab. Bis jetzt wurden 3 Anandamide entdeckt, und zwar: Arachidonylethanolamid, Homo-Gamma-Linolenylethanolamid und Docosatetraenylethanolamid.
Es gibt noch eine Verbindung, welche mit dem Cannabisrezeptor des Menschen reagiert, aber chemisch eine nicht-klassische Struktur hat, und zwar die Verbindung CP-55940.
Auch Verbindungen aus der Klasse der sogenannten Aminalkylindole (AAI) reagieren mit dem Cannabisrezeptorsystem und loesen eine klassische "cannabinoide" Wirkung aus. Ein derzeit bekannter Vertreter dieser Gruppe ist die Verbindung WIN-55,212-2.
Antagonisten sind Verbindungen, die an einem Rezeptor andocken und die Wirkung eines Agonisten aufheben. Sie blockieren somit die Wirkung von Cannabinoiden in unserem Fall hier. Da es 2 verschiedene Typen von Rezeptoren gibt, hat man auch nach Verbindungen gesucht, die jeweils mit dem einem der Rezeptoren reagieren und die Wirkungen, die durch diesen Rezeptor vermittelt werden, aufheben. Und man ist auch fuendig geworden und hat sowohl fuer den CB1 als auch fuer den CB2 Rezeptor Antagonisten gefunden. (#127, eigen)
Agonisten sind Verbindungen, die an einem Rezeptor andocken und eine Wirkung ausloesen. Es gibt 2 Arten von Agonisten. Die endogenen (inneren) und die auesseren. Endogene Agonisten sind koerpereigene Stoffe, die die Wirkungen, die durch einen Rezeptor vermittelt werden ausloesen. Aeussere Agonisten sind Stoffe, die von aussen zugefuehrt, am Menschen eine Wirkung ausloesen. In unseren Falle ist THC ein typischer aeusseren Agonist, der am CB1-Rezeptor andockt und dort seine Wirkung entfaltet. (Nicht nur am CB1-Rezeptor wird angedockt, aber mehr weiss man halt noch nicht). Ein endogener Agonist ist Anandamid, welches vom Koerper gebildet wird und mit dem CB1-Rezeptor reagiert, d.h. eine Verbindung, die loesbar ist, eingeht. (eigen, #127)
C3-Seitenkette:
C5-Seitenkette:
C6-Seitenkette:
C9-Seitenkette:
Das sind potente Agonisten am CB1-Cannabisrezeptor.
Diese Verbindungen sind partielle Agonisten/Antagonisten am Cannabisrezeptor.
Diese Verbindungen sind potente CB1-Cannabisrezeptoragonisten.
(Reaktion mit dem Cannabisrezeptor!)
(#136/4)
Pharmakophoren sind jene funktionellen Gruppen eines Liganden, die fuer die Wirksamkeit eines Molekuels von existentieller Bedeutung sind. Die Grafik nebenan veranschaulicht die fuer THC ermittelt Pharmakophoren. Es sind dies 4 verschiedene Molekuelteile, die durch Kaestchen in der Abbildung gekennzeichnet worden sind.
Die Lage der Doppelbindung im Heterocyclus C ist verantwortlich fuer die Wirksamkeit des Molekuels. Wenn man die Lage wie bei delta1-THC oder delta6-THC anordnet, erhaelt man ungefaehr wirkungsgleiche Verbindungen. Aendert man jedoch die Lage der Doppelbindung wie bei der Verbindung delta3-THC dann bekommt man eine nur ein Drittel starke Droge. Diese Verbindung wurde urspruenglich von Adams und Todd synthetisiert. Auf dieser Basis wurden eine Reihe von Derivaten entwickelt und von den beiden genannten mit dem Hunde-Ataxie Test untersucht, wobei man feststellte, dass die Seitenkette wesentlich mitverantwortlich fuer die Staerke der Droge ist.
Kuerzt man die Seitenkette vom natuerlichen Pentyl weg zum Propyl erhaelt man eine Droge, die schneller und kuerzer, aber staerker wirkt. Kuerzt man noch staerker als zum Propyl, also zum Ethyl oder Butyl erhaelt man schwaechere Verbindungen die fast ihre Aktivitaet verlieren. (Laut Wikipedia ist das Propyl-THC ein Antagonist, was der allgemeinen Meinung widerspricht ueber diese Substanz!) Die groesste Wirkungsstaerke erreicht mit einer Seitenkette, die laenger und gleichzeitig verzweigt ist, naemlich die des 1',2'-Dimethylheptyl-analogons. Diese Drogen sind die wirkstaerksten Verbindungen, die man kennt. (#136) Auch das Methyloctyl-analog (MOP) ist staerker wirksam, ebenso das 1',1'-Dimethylheptylanalogon. (#23) Die besten Ergebnisse erzielt man wenn man eine Seitenkette anbringt, die einen Ring zurueck zum Phenolring A bildet. (136/4ff.) Werden nun Doppelbindungen in die Seitenketten eingebracht erhaelt man die Wirkung. (#23) Sehr potente Agonisten erhaelt man auch, wenn man am Ende der Dimethylheptylgruppe eine Cyano (-CN) Gruppe oder eine Methylcyano (-CH2CH) Gruppe anbringt. Man erhaelt so die Verbindungen O-581 und O-774. Eine sehr potente Verbindung ist auch das -CON(CH3)2-Derivat mit dem phantasievollen Namen O-1125. (#136/4ff) Weiters - behaelt man die Heptylseitengruppe und bringt in der Position 1' eine Cyclopropyl- oder Cyclopentylgruppe an erhaelt man ebenso potente Agonisten. Es waeren dies die Verbindungen AMG-36 und AMG-41.(eigen)
Aendert man den Substituenten an Ring C von einer Methylgruppe (an Position 9) zu einem Keton, erhaelt man Nabilone, eine Droge, die einen Grossteil ihrer CB1-Rezeptoragonistenwirksamkeit eingebuesst hat. Dennoch ist die Droge von Interesse fuer die Pharmazie, und zwar wird sie derzeit als Antiemetikum (Antibrechmittel) im Handel angeboten und wird bei Krebskranken, die einer Strahlentherapie unterzogen werden und bei AIDS-Erkrankten eingesetzt.
Veraendert man die Hydroxygruppe von Position 1 am Benzolring A des Molekuels in eine Methoxygruppe verliert die Droge viel von ihrer CB1-Agonistenreaktion und reagiert staerker mit dem CB2-Rezeptor, der vor allem fuer koerperliche Wirkungen von Belang ist. CB1-Rezeptoren liegen vor allem im ZNS des Menschen und sind fuer die typischen Wirkungen von THC von Interesse. Da waeren vor allem Veraenderungen im EEG, trockener Mund, Wahrnehmungsverzerrungen usw.. (#136/6ff.)
Cannabinoide sind fettliebende Substanzen und damit wasserunloeslich. Folglich kann man sie auch nicht injezieren. Da dies in der Forschung aber gewuenscht wird, wurden schon frueh Versuche unternommen wasserloesliche Derivate zu erzeugen. Der erste Versuch war THC-O-acetat, was sich aber als unloeslich erwies. Spaeter folgte THC-O-phosphat, welches sich als kaum brauchbar erwies, da es sich nur langsam zersetzte und schwaecher wirkte. Ebenso erwies sich O-2694 als problematisch - es hydrolysierte nur langsam und die Wirkung war ebenso schwaecher. Erst mit der Erfindung von O-1057 und O-2545.htm wurde eine Loesung gefunden. Beide Verbindungen sind gut wasserloeslich und injezierbar und sind potente Agonisten am CB1 Rezeptor. O steht uebrigens Organix Inc., der Name der Herstellerfirma. (Wikipedia, #136)