Methysticodendron amesianum R. E. Schultes

Pflanzenbild Bildquelle. 1. Geoeffnete Trompetenbluete. 2. Blatt.

Andere Namen:

Culebra Borrachero (#11, #45/299, #62/368) (Schlangen-Trunkenmacher), Borrachero (Trunkenmacher), (#32) mitskway borrachero ("Jaguar-Berauschungsmittel", Kamsa-Sprache), (#45/299, #62/368) Datura candida (Persoon) Safford cv. "Culebra" (Bezeichnung von Bristol); (#45/299)

Inhaltsstoffe:

Alle Pflanzenteile beinhalten Tropanalkaloide. (#32) Der Gesamtalkaloidgehalt der Blaetter betraegt 0,3%. (#45/301, #62/368) 80% des Alkaloidgehalts sind Scopolamin. (#11, #32, #45/301, #62/368) Es kommen auch Atropin und andere Nebenalkaloide vor. (#32, #62/368)

Aussehen:

R.E. Schultes, Botaniker, und A. Hofmann, der LSD-Entdecker, haben in ihrem Buch "Pflanzen der Goetter" eine kurze, botanische Beschreibung der Pflanze, die nahe verwandt mit den Engelstrompetenbaeumen ist, angegeben:

Es ist ein bis zu 7,5m hoher Baum mit dichtgedraengten Blaettern. Die Blueten sind haengend weiss, bis 28cm lang, duften stark, haben eine stark der Laenge nach gespaltene Krone, rauten- oder spatelfoermige Zipfel, die 3/5 von einem gruenen, roehrenfoermigen Kelch eingeschlossen sind. (#11)

Vorkommen:

Die Pflanze gedeiht in den kolumbianischen Anden, (#11, #45/299) genauer, nur im suedkolumbianischen Sibundoytal. (#32, #45/299, #62/368)

Pflanzl. Fam.:

Solanaceae - Nachtschattengewaechse

Allgemeines:

Diese Pflanze gehoert in die Familie der Nachtschattengewaechse (Solanaceae), und ist damit nahe verwandt mit den Datura- (Stechapfel-)Arten, aber auch mit den Engelstrompetenbaeumen, Atropa-Arten (Tollkirschen) und den vielen anderen Vertretern aus der Nachtschattenfamilie, die die Tropanalkaloide Scopolamin, oder auch das sehr nahe verwandte Hyoscyamin enthalten. Ein grosser Teil aller Nachtschattengewaechse enthaelt diese Alkaloide, aber nicht alle. So sind Tomaten ohne Alkaloide, aber auch die allseits bekannte Kartoffel enthaelt diese Alkaloide nicht. Auch die Judenkirschenarten und die Vertreter der Gattung Brunfelsia enthalten kein Hyoscyamin oder Scopolamin, sondern andere Alkaloide (z. Bsp. Scopoletin). Die Nachtschattenfamilie kann uebrigens anhand ihrer chemischen Zusammensetzung in verschiedene Gruppen geteilt werden. Diese chemische Unterscheidung hat aber keinen Bezug zur botanischen Gliederung der Art. Auf jeden Fall sind Nachtschattengewaechse, welche Hyoscyamin oder Scopolamin enthalten, in vielen Kulturen und Zeiten auf dieser Erde als Medizinal-, Rausch- und Giftpflanze eingesetzt worden. So auch diese Pflanze: (eigen)

Im suedkolumbianischen Sibundoy-Tal kultivieren die Ingano- (#11, #32, #45/299f.) und die Kamsa-Indianer (#11, #32, #45/299f., #62/368) Culebra Borrachero ihrer halluzinogenen und heilkraeftigen Eigenschaften wegen. Die Droge hilft ihnen bei der Bestimmung schwieriger Krankheiten und bei der Ausuebung von 'Wahrsage- und Hexenkunst'. (#11) Die Schamanen bereiten aus den frischen (#32 ) Blaettern einen Tee. (#11, #32) Im grossen und ganzen ist der Gebrauch mit dem der Engelstrompeten (Brugmansia) identisch. In Kolumbien werden uebrigens auch andere "Zauberpflanzen" als Borrachero bezeichnet, was ein allgemeiner Ueberbegriff fuer eine berauschende Pflanze ist. Folgende Arten erscheinen nun unter dem Namen Borrachero:

Brugmansia-Arten, Guatillo, Manaka, Datura-Arten, Winden, Desfontainia spinosa, Gaultheria anastomosans, Pernettya spp., Vaccinium floribundum, die alle fuer die gleichen Zwecke verwendet werden. (#32) (Hierbei sind uebrigens eine Reihe unwirksamer Pflanzen und Zutaten dabei;)

Zur Problematik Brugmansia - oder Methysticodendron:

Die Vermehrung der Pflanze erfolgt auf ungeschlechtlichem Weg durch Stecklinge. (#11) Der Baum wird einer eigenen Gattung zugeordnet, obwohl er mit der Pflanzenfamilie Brugmansia sehr nahe verwandt ist. (#11, #32, #45/299f., #62/368) Zwar koennte es sich tatsaechlich um den Vertreter eines stark verkuemmerten, aus einer Brugmansia-Art hervorgegangenen Klones handeln, allerdings waere die Abweichung zu stark, als dass man ihn mit Sicherheit einer bestimmten Art zuweisen duerfte. (#11, #62/368) Der beruehmte Ethnobotaniker R.E. Schultes, bekannt fuer seine Forschungen auf dem Gebiet psychoaktiver Pflanzen, empfiehlt den Namen Methysticodendron amesianum weiterzuverwenden, v.a. weil die chemischen Studien sich auf diesen Pflanzennamen beziehen. Auch andere Autoren (Bristol, Lockwood) schlossen sich dieser Theorie an und haben die Pflanze auch der Gattung Methysticodendron angeschlossen. (#45/299)

Wirkungen:

Der Borrachero-Tee ist halluzinogen und hypnotisch. (#32) Es ist mit der gleichen Wirkung wie bei Stechapfelarten zu rechnen. (eigen) Die Wirkung ist staerker als die der verwandten Brugmansia-Arten. Dies mag die heftige Reaktion selbst bei niedriger Dosierung erklaeren. (#11) Fuer die potentiellen Risken bei der Einnahme dieser Pflanze, soll vor allem auf die Beschreibungen bei Datura stramonium (dem Stechapfel) verwiesen werden, wo eine etwas laengere Abhandlung vorhanden ist. (#45/299) Es soll aber auch auf die Erlaeterungen bei Scopolamin, dem Hauptinhaltsstoffe der Pflanze verwiesen werden, wo noch eine Reihe von Informationen angefuehrt ist. (eigen)

Wirkdauer:

Die Dauer der Wirkung betraegt einschliesslich aller Nachwirkungen 2-3 Tage. (eigen)

Sucht:

Die Ausbildung einer koerperlichen Abhaengigkeit ist nicht bekannt. (eigen)

Gegengift:

Das spezifische Gift dieser Pflanze ist das Tropanalkaloid Scopolamin, welches aus einer Reihe anderer Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewaechse bekannt ist:

Physiostigmin wirkt als Gegengift und steht im Mittelpunkt der medikamentoesen Behandlung. Das Hauptrisiko der Vergiftung ist eine zentrale Atemlaehmung. Diese kann durch kuenstliche Beatmung abgewendet werden. Temperatursenkende Massnahmen und bei Erregungszustaenden die Gabe von Diazepam (Valium®), i.v. in kleinen Dosen, ergaenzen die Behandlung wirkungsvoll. (#2)

(Es muss darauf hingewiesen werden, dass es zu keiner Verstaerkung der Atemlaehmung kommen darf; es empfehlen sich die allgemeinen Massnahmen der Ersten Hilfe und die Herbeirufung eines Arztes; ich glaube nicht, dass Valium besonders gut geeignet ist; es empfehlen sich sicherlich zuerst Methoden des sogenannten "talk-downs";) Es muss an dieser Stelle an die ausfuehrlichen Beschreibungen bei Mandragora officinalis (Alraune) oder Datura stramonium (Stechapfel) verwiesen werden, wo auch ausfuehrliche Beschreibungen der entsprechenden Rauschzustaende und deren Aufhebung beschrieben ist. (eigen)

Geschichte:

1955: Der weltbekannte Botaniker und Ethnopharmakologe R.E. Schultes, bekannt fuer seine Forschungen und Publikationen auf dem Gebiet halluzinogener Rauschdrogen ("Pflanzen der Goetter", "The Chemistry and Botany of Hallucinoges",...) publizierte erstmalig ueber diese Pflanzenart. Deshalb traegt diese Pflanze auch seinen Namen: Methysticodendron amesianum R.E. Schultes. (#45/299)

1959: Barclay vermutete, dass eine Mutation zur Entstehung dieser Pflanzenart beigetragen habe. (#45/299)

1960: Pachter und Hopkinson fuehrten die chemischen Untersuchungen an dieser Pflanze durch. (#45/301)

1969: Bristol nimmt an, dass diese Pflanze eine hochgradig veraenderter Klon eines Kultigens einer Brugmansia-Art ist. (#45/299)

1973: Der Botaniker Lockwood, ein spezieller Kenner der Engelstrompetenbaeume (Brugmansia ssp.), schliesst sich ebenfalls der Theorie von Bristol an; er publizierte diese Theorie jedoch nicht selber, nahm aber an, dass es eine Brugmansia aurea-Unterart sei; (#45/299)

Warnhinweise:

Das Fuehren von Kraftfahrzeugen und das Betreiben gefaehrlicher Maschinen ist nicht moeglich! Aufgrund der Laehmung des Pupillenmuskels kommt es bereits bei geringen Dosen zu unscharfen Sehen! (eigen)

Schon bei mittleren Dosen kommt es bei Nachtschattendrogen die Tropanalkaloide (wie Scopolamin oder Hyoscyamin) enthalten zu Halluzinationen, die im Gegensatz zu den Pseudohalluzinationen der serotenergen Halluzinogene (LSD, Psilocybin, Meskalin,...), als taeuschend echt empfunden werden. Der Berauschte sieht Dinge, die nicht vorhanden sind und ist damit im normalen Leben hoechstens gefaehrdet einen Unfall zu erleiden. (eigen)

Bei hohen Dosen tritt der atemlaehmende Effekt in den Vordergrund und der Berauschte droht zu ersticken. Es besteht hoechste Lebensgefahr! (eigen)

Bei versehentlichen Vergiftungen mit Tropanalkaloid-haeltigen Nachtschattendrogen muss auf jeden Fall ein Arzt gerufen werden, oder die Rettung, da man nie weiss, wieviel an Droge aufgenommen wurde - gerade die schoenen Beeren, der meisten Nachtschattendrogen, werden gerne von Kindern eingenommen, da sie zudem sehr suess schmecken, ist die Gefahr besonders gross! Es besteht Lebensgefahr! (eigen)

Die Wirkungen dauern bis zu 3 Tagen und damit ist es kaum moeglich den Berauschten so lange sicher unterzubringen ohne fremde, professionelle Hilfe. Es besteht grosse Gefahr durch die unscharfe Sicht einen Unfall zu erleiden! Suchen sie unbedingt Hilfe bei Aerzten, Drogenberatungsstellen und dem allgemeinen Giftnotruf. Nachtschattendrogen sind legal, also brauchen Sie auch keine Verfolgung seitens der Behoerden befuerchten. (eigen)

Es gibt ein spezifisches Gegengift, Physiostigmin, mit dem die Wirkung sofort aufgehoben werden kann! Eine Behandlung mit einem ruhig-stellenden Beruhigungsmittel ist nicht ausreichend, weil der Berauschte unter den Halluzinationen leidet! Neuroleptika sind nicht wirksam, andere atemdepressive Beruhigungsmittel, wie z.Bsp. Barbiturate erhoehen die Gefahr einer Atemlaehmung! (eigen)


Bildquellen:

Abbildung 1: Zeichner: SMITH E.W.; In: SCHULTES Richard Evans, HOFMANN Albert: "The Botany and Chemistry of Hallucinogens", THOMAS Charles C. Publishers, S. 300, 1980.


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie