Mandragora officinarum Linnaeus

Pflanzenbild Bildquelle. Nach Jacob Theodor Tabernaemontanus: "Neuw vollkommentlich Kreueterbuch", 1613.

Andere Namen:

Alraune, (#15, #17, #18, #32, #45, #60, #61) Lethe (Der Trank der alten Griechen war vermutlich mit Alrauneextrakten versetzt), (#15) Atzmann, Hundsapfel, Mela canina, Mardami, Zauberwurzel, Luffat, (#31, #61) Lakshamshama, Satansapfel, (#31) Galgenmaennchen, Drachenpuppe, Dollwurz, Armesuenderblume, Henkerswurzel, Folterknechtswurzel, (#18) Alraunwurzel, (#17) Alraun, (#11, #15, #60, #69/81) mandrake (engl.), (#31, #45, #47, #60, #61, #62/368) Erdmaennchen, Erdweibchen, Hexenkraut, (#45) Pissdiefje (holl.), Antimalus, Dirkaea, Kirkaea, Morion, luffah manganin (Tollaepfel, arab.), M. Semihomo, eppli, alrun; Asterenk, Siterenk (pers.), Abrousanam, Jabrouh (arab.), Jahuepuhuelu (chin.), mandragola, mandracola (ital.), mandragula (span.), mandragers (holl.), mainuedeuegloire (frz.), manrakor (armen.), Ellufah (syr.), Siradsch elkutrub, Jabruh (pers.), (#60) Galgenmaennlein, (#31, #60) Satan's Apple, Mandragore, Mano die Gloria, Pomo di Cane, Giatya bruz, Hunguruk koku, Adam koku, Astrangue Dastam harysh, Lakmuni, Lakhashmana, Putrada, Rakta Vindu, Bhagner, Lebruj, Lufahat, Atropa mandragora, Galgenmandl (Oesterreich: Tirol), (#61) Goldmaennchen, Heckenmaennchen, Galgenmaennchen, (#69/81) Mandragora (iran. "Zauber wirkend"). (#69/84)

Inhaltsstoffe:

Alle Pflanzenteile enthalten Tropanalkaloide, die psychoaktiv wirken. Der Gesamktalkaloidgehalt der Wurzel betraegt 0,4%, (#11, #17, #45) andere Quellen geben einen Bereich von 0,3-0,4% an. (#20, #61) Es sind vor allem die psychotropen Tropanalkaloide Hyoscyamin, Scopolamin (#11, #17, #18, #45, #61, #62/368) und Atropin enthalten. (#62/368) Die Tropane, Hyoscyamin und Scopolamin, sind im Verhaeltnis 18:2,5 enthalten, (#45) damit ist Hyoscyamin das primaere Hauptalkaloid. (#62/368) Auch ein Nebenalkaloid mit dem Namen Cuscohygrine (Mandragorine) ist enthalten. (#45/298)

Aussehen:

Es ist eine ausdauernde, stengellose Staude. Sie hat eine dicke, (#11, #61) meist gegabelte Wurzel. (#11) Die Wurzel wird bis zu 60cm lang und ist fleischig. (#61) Sie erscheint von der Form her oft menschlich. (#11, #31) Ausserdem wachsen aus dem Rhizom die Blaetter und Bluetenstengel und Fruchtstaende direkt heraus. (#31) Die Blaetter sind eifoermig-laenglich und kurzgestielt,(#11) und ausserdem gekerbt-gezaehnt. (#61) Die Blueten sind weisslich-gruen, purpurn, blaeulich und glockenfoermig. Sie sitzen in Buescheln zwischen den Blaettern. Die Beere ist gelb, (#11, #61) kugelig (#61) und verbreitet einen starken Duft. (#11) Der Bluetenstiel ist einbluetig mit einem grossem, fuenfspaltigen Kelch und gruenlichgelber Bluetenkrone. (#61)

Pflanzenbild Bildquelle. Die Pflanze.

Vorkommen:

Die Verbreitung der Pflanze erstreckt sich heute von Suedeuropa, ueber Nordafrika, bis nach Westasien (#11) und in das Himalayagebiet. (#11, #60) Die Pflanze war im oestlichen (#18) Mittelmeergebiet heimisch. (#17, #45, #60) Es sind mehrere verschiedene Alraunenarten, die im oestlichen Mittelmeerraum, dem Vorderen Orient und im indischen Subkontinent vorkommen. (#31) Im oestlichen Mittelmeerraum ist sie auch heute noch sehr haeufig anzutreffen, vor allem auf brachliegenden Feldern und Schuttplaetzen. (#18)

Pflanzl. Fam.:

Solanaceae - Nachtschattengewaechse

Allgemeines:

Die hochgiftige Alraune ist als Rausch- und Heilmittel seit dem Altertum bekannt. (#11, #69/84) Wesentlich fuer den Mythos, der diese Pflanze und ihren Gebrauch umgibt, war die oftmals menschenaehnliche Form ihrer Wurzel, (#11, #45) die die Phantasie der Leute immer schon erregte und sie in Zusammenhang mit dem Uebernatuerlichen, der Magie und diversen Kulten brachte. Ausserdem trug ihre starke psychoaktive, vor allem die halluzinogene und betaeubende Wirkkomponente einiges dazu, dass die Pflanze ihrem Ruf als vermeintliches "Zaubermittel" gerecht wurde, wobei aber auch der Aberglaube eine wesentliche Rolle spielte. (#11, #18, #31, #32, eigen)

Der Gebrauch von Nachtschattendrogen in Form sogenannter Hexensalben und -gebraeuen, beispielsweise von Datura-ssp. {Stechapfelarten}, Atropa-spp. {Tollkirschenarten}, seltener auch der Mandragora, erreichte im europaeischen Mittelalter einen Hoehepunkt. Die Pflanze ist aufgrund ihrer Seltenheit in den nordischen Laendern, wohl eher meist sicherlich nur als vermeintliche Zutat verwendet worden. Die Pflanzenwurzel war auch wegen ihrer menschenaehnlichen Form als Amulett sehr begehrt und wurde teuer gehandelt. Es wurden sogar gefaelschte, geschnitzte Wurzeln, die von Menschenhand bearbeitet wurden, um sie menschenaehnlicher zu machen, verwendet. Diese Wurzel und andere Pflanzenteile spielte sicherlich als Zutat zu diversen Hexenmitteln (v.a. Salbenbereitungen) kaum eine Rolle, bedingt durch ihr seltenes Vorkommen in unseren Breiten. Dies laesst eher den Schluss zu, dass die Rauschdroge, durch die bei uns haeufigeren Nachtschattendrogen Tollkirsche (Atropa belladonna) und Stechapfel (Datura stramonium) ersetzt worden ist - ausserdem wurden in den Hexenmitteln auch immer wieder andere psychoaktive Drogen, wie Opium und eine ganze Reihe von Pflanzen erwaehnt, die den Giftpflanzen (Schierlings-arten, Verbena,...) zuzurechnen sind. Einige der ueberlieferten "Rezepte" sind so giftig, dass man damit eine ganze Familie gleichzeitig ausrotten koennte, wenn man die angegebenen Dosis verwendet. Die meisten Rezepte sind eben spaeter, bzw von den unkundigen Feinden der diversen Kulte beschrieben worden. Zweifelsohne aber hat es psychoaktive Bereitungen gegeben, die sich auf der Basis von Nachtschattendrogen und Fetten (fuer die Bereitung von Salben) seit dem Altertum fussten. Jedoch spielte die Mandragora sicherlich mehr als Amulett und vermutlich auch mehr als Symbol fuer die in den "underground" gedraengte Subkultur der kraeuterkundigen "Hexen und Hexer" eine Rolle. Im Hexenhammer, einem Werk von 2 sadistischen Verfolgern der Hexenkultur aus dem Mittelalter, wird bereits der Besitz einer solchen Wurzel als ausreichendes Beweismittel fuer die Ueberfuehrung einer vermeintlichen Hexe/Hexer angegeben. Wenn schon duerfte die Pflanze vielmehr in suedlichen Regionen Europas und auch in Vorderasien eine Rolle gespielt haben, wo sie auch heimisch ist.

Sie diente oft, wie oben schon erwaehnt, wie andere Nachtschattendrogen, auch als 'Liebesmittelchen' = Aphrodisiaca, wobei eher die Betaeubung, die sie ausloeste, der Zweck ihrer Anwendung war, um Vergewaltigung und Raub im Tiefschlaf zu ermoeglichen. Doch kaum eine Gruppe von Pflanzen, ausser dem Hanf (Cannabis sativa), ist so haeufig mit dem Mythos zusammengebracht worden, die sexuelle Phantasie und Potenz zu steigern, wie bestimmte Gewaechse aus der Familie der Nachtschattenpflanzen, dass es noch andere Gruende fuer diesen Mythos geben muss. Diese Eigenschaft wird ja nicht nur der Alraune, sondern auch dem Stechapfel (Datura stramonium) und der Tollkirsche (Atropa belladonna) zugeschrieben. Viele Beschreibungen aus dem Mittelalter und auch so manche Erfahrungen aus der Neuzeit beschreiben erotische Traeume, die Nachtschattendrogen ausloesen. Dies ist sicherlich moeglich, wie eigene Erfahrungen mit der sehr nahe verwandten Rauschdroge Stechapfel, aber auch mit Hanfprodukten, gezeigt haben. Doch dieses Phaenomen ist sicherlich nicht nur auf Nachtschattendrogen beschraenkt, denn die allgemein enthemmende Eigenschaften von Rauschzustaenden spielen eine beachtenswerte Rolle. Beim Literaturstudium faellt auf, dass im Zusammenhang mit Nachtschattendrogen sehr oft die erotisierende Wirkung herausgestrichen wird, was sicherlich genau das Gegenteil der sittlichen Normen des Mittelalters war. Eine gewisse Assoziation zur Protestdroge "Cannabis" und den sexuellen, alternativen Lebensformen in den 60Žer Jahren draengt sich auf. Man muss aber bei diesen Rauschdrogen auch die betaeubende Wirkung des Hauptinhaltsstoffes Scopolamin einkalkulieren und so sind die meisten "Hexenorgien" wohl eher auf die Traeume beschraenkt, die sich im Rausch, der Erfahrung (trip, engl.) oder im Delirium, je nach Betrachtungswinkel, durch die Einnahme der Pflanze ergaben.

Man muss aber auch die damalige Unterdrueckung andersartiger Kulte durch die katholische Inquisition des Mittelalters in die Betrachtungen miteinbeziehen, die gegen alte und neue verschiedenartig aufgebaute Religionsgemeinschaften gerichtet war. Es tobte damals offensichtlich ein Kampf um die weltliche und wirtschaftliche Vorherrschaft im Bereich der "Medizin" und "Religion", der zudem noch von persoenlichen Rachegeluesten gegen Nachbarn und Feinde ergaenzt wurde, und sich in den Trauemen und Traumen der Drogenkonsumenten und in den Ritualen der Hexen-"Gegenkultur" jener Zeit niederschlug, die sicherlich von Angst gepraegt waren und logischerweise dem Wunsch der ungemein gefaehrlichen Umgebung zu entrinnen. Die Literatur ueber die Hexendrogen wurde aber fast gaenznlich von den Feinden und Gegner verfasst, die logischerweise eine ausgepraegt negative Voreinstellung hatten. Ein gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die immer wieder in der Literatur anzutreffende Unterstellung, dass zur Bereitung der Hexensalben das Fett eines Saeuglings, der dafuer gemordet werden musste, diente. Man sieht hier sehr gut die kaum zu glaubenden Uebertreibungen der Oberhand gewinnenden katholischen Kirchenleute, die sich in Luegen und Aberglauben niederschlug. Dies fuehrte besonders beim aberglaeubigen Volk, welches von Krankheitswellen (Pest,...) geplagt wurde, und die wirklichen Ursachen noch nicht kannte, zur Bildung eines Feindbildes. Die Anhaenger anderer Kulte waren dann die Opfer, die dann die Schuld an allem waren, ob Missernte, Krankheit oder Naturkatastrophe ... (eigen)

Die Traeume sind nach den ueberlieferten Beschreibungen uebrigens sehr oft auch von Flugphantasien beeinflusst worden, wie der zeitgenoessischen Literatur zu entnehmen ist, und was ich uebrigens auch im englischen Begriff fuer solche Mittel niederschlaegt - "flying ointments", wobei Uebelkeit und Schwindel, die die Pflanzen ausloesen, sicherlich eine pharmakologische Grundlage bilden.

Religioeser Wahn, Sucht nach Macht, Intoleranz, Neid und die berechtigte Angst vor den Giftmischern aber auch Heilern, allgemein vor den ueberlegenen Wissenden grenzten im Mittelalter viele Kraeuterkundige aus, und vor allem kraeuterkundige Frauen, die das Wissen aelterer Zeit bewahrt hatten und eine Konkurrenz fuer die vorherrschende patriachale Religion und Machtstrukturen waren, wurden oftmals unschuldige Opfer der Inquisition, die sicherlich einen Grossteil total unschuldig, auf sadistische Weise, umbrachte. - Was aber nicht heissen soll, dass es keine Verbrechen in jener Zeit gab, nur die Methoden der Beweisfuehrung und des Strafverfahrens, wie sie im "Hexenhammer" und aehnlichen Machwerken niedergelegt sind, sprechen Baende, ueber die Gedankengaenge jener Zeit, die an die Vernichtungsmaschinerie des III. Reiches erinnern. (eigen)

Gerade die psychotropen Eigenschaften der heimischen Nachtschattendrogen wurden sicherlich oft ge- und missbraucht, sei es als rituelle Rauschdroge, als Droge zur Realitaetsflucht oder auch als Medizin. Sie und andere Rauschdrogen und Gifte (Schierling, Opium, Stechapfel) wurden vermutlich damals auch als Mord- und Selbstmordgift verwendet, was auf ihrer betaeubenden und atemlaehmenden Wirkung beruhte, aber auch dem Fehlen einer hochentwickelten Schulmedizin. (eigen)

Zurueck zu den, den Hexen und Hexenkulten zugeschriebenen erotischen Phantasien und Praktiken jener Zeit: Die meisten Orgien haben sich wohl nach oder vor dem eigentlichen Rausch ereignet, denn die Wirkung von Nachtschattendrogen ist ungemein stark, betaeubend und unangenehm, so dass nur Mischungen, die zu einen geringen Anteil diese Pflanzen enthielten, ueberhaupt irgendeine Aktivitaet zuliessen, denn die Nachtschattendrogen wirken auf den Bewegungsapparat des Menschen und verhindern bereits in mittleren Dosen einen koordinierten Bewegungsablauf. Der stark Berauschte kann sich kaum auf den Beinen halten, taumelt, aehnlich jemandem, der einen Vollrausch durch Alkohol hat. (eigen)

Die Pflanze wurde aber auch als Medizin genutzt, was sich in Europa fast bis in die Neuzeit erhalten hat. Sie war lange Zeit ein wichtigstes Schmerz- und Beruhigungsmittel, da sie auch Scopolamin enthaelt, welches in der Psychiatrie und in der Medizin noch im letzten Jahrhundert und teilweise auch noch in diesem Jahrhundert eine wesentliche Rolle spielte. Eine Verwendung als Asthmamittel waere denkbar, ist aufgrund der Seltenheit aber unbedeutend geblieben. (eigen)

Pflanzenbild Bildquelle. Aus dem "Pen Tsao Kang Mu", 1597.

Geschichte:

Auf einer ugaritischen Keilschrifttafel wird die Pflanze in Zusammenhang mit einem Fruchtbarkeitskult erwaehnt. (#69/84)

Die alten Aegypter kannten schon die Heilkraefte der gelben oder rotgoldenen Beeren und vor allem der Wurzel. Es ist sicher, dass beide Teile der Pflanze als Aphrodisiaka verwendet worden sind. (#18, #32) Stuecke der Wurzel, die hoechstwahrscheinlich als "Liebe-Gluecksbringer" getragen wurden, wurden zusammen mit anderen Grabbeigaben in den koeniglichen Grabkammern in den Pyramiden gefunden, und die Alraune wird im Papyrus Ebers aus der Zeit von 1700-1600 v. Chr. besprochen (#18) Sie wurde als Potenzmittel, Aphrodisiakum und 'Fruchtbarkeitsspender' angewendet. (#32) Ein aegyptischer Mythos um den Sonnengott Ra beschreibt das Brauen von Mandragora versetzten Bier. (#62/368)

Ein koptischer Name bedeutete, "Teufelshoden". (#32) Der Name laesst auf eine Verwendung als Aphrodisiakum schliessen. (eigen)

In der griechischen Mythologie war die "Goettin" Aphrodite auch die Mandragoritis, die Herrin der Mandragora. (#69/84)

um 430-354 v. Chr.: Xenophon (Symp. 2 24) schrieb: "M. schlaefert alle Menschen ein".

Ein Drama des attischen Dichters Alexis ist der Mandragora gewidmet: "Die durch die M. betaeubte Frau", (#60) ein Titel, der so offensichtlich auf die Absichten und die Verwendung der Nachtschattendrogen anspielt, wie kaum ein anderer. (eigen)

23-79 n. Chr.: Plinius beschrieb die Verwendung als chirurgisches Betaeubungsmittel. (#62/368, #69/84)

1. Jhdt. n. Chr.: Dioskurides berichtete folgendes:

"Sie wird verwendet in Liebestraenken, gegen Schlaflosigkeit, Schmerzen, vor Operationen und Ausbrennungen, groessere Dosen sind toedlich; manche Leute kochen die Wurzeln in Wein zu einem Drittel der urspruenglichen Menge ein; sie seihen dann die Bruehe durch ein Tuch; die geschaelten Wurzeln werden an einem Faden zum spaeteren Gebrauch aufgehaengt; Nachdem die Wurzel zerquetscht und ausgepresst worden ist, sollte man den gewonnen Saft in der Sonne verdicken und dann in einem irdenen Topf aufbewahren. Die Aepfel werden gleich behandelt, doch ihr Saft ist schwaecher;" (#60)

Die aussergewoehnliche Stellung des Alrauns als 'magische' Wurzel und Rauschmittel ist innerhalb des europaeischen Volkstums einmalig. Als giftiges und vermeintliches Heil- und 'Zaubermittel' wurde sie vor und waehrend des Mittelalters von den Bewohnern des europaeischen Kontinents geachtet und zugleich gefuerchtet. Die menschenaehnliche Form der Wurzeln ist ein Hauptgrund fuer ihre grosse Beliebtheit und die ihr zugeschriebenen 'magischen' Eigenschaften. Obschon die Gattung Mandragora 6 verschiedene Arten umfasst, hat vor allem die in Europa und den Nahen Osten heimische M.o. als Halluzinogen in 'Magie' und 'Hexenkunst' eine entscheidende Rolle gespielt. Das Ausreissen der Wurzel war mit zahlreichen Vorsichtsmassnahmen verbunden: man glaubte naemlich, dass die schauderlichen Schreie der Pflanze den Sammler um den Verstand bringen koennten. (#11)

um 1513: Machiavelli schrieb ein Lustspiel, "La Mandracola", in dem ein Alrauntrank einer unfruchtbaren Frau Kinder bringen sollte. (#60) Kotschenreuther bezeichnet das Stueck auch mit dem Titel Mandragola. (#69/84)

1597: Das chinesische Kraeuterbuch "Pen Tsao Kang Mu" behandelt diese Pflanze. (#45/296)

1607: Shakespeare's Kleopatra bestellte im Drama "Antonius und Kleopatra" Mandragora, nachdem ihr Antonius fort war. (#62/368, #69/84) Ebenso wurde die Pflanze im Drama "Othello" erwaehnt.

1613: Jacob Theodor Tabernaemontanus veroeffentlichte das "Neuw vollkommentlich Kreueterbuch". (#45/296)

1632: Eine aehnliche Illustrierung, wie jene von J.T. Tabernaemontanus stammt aus "The Herball or Generall Historie of Plantes" aus London. (#45/297)

In Tirol wurde vor langer Zeit die gebaerende Frau mit Alraunensaft bestrichen, um die Geburtswehen zu lindern, (#61) was eher unwahrscheinlich ist, aufgrund der Seltenheit der Pflanze; der Einsatz eines Nachtschattengewaechses oder einer Opiumbereitung ist denkbar, aber vermutlich fuer das arme Volk nicht leistbar gewesen. An eine Verwendung von Atropa-Arten oder anderen heimischen Pflanzen ist zu denken; (eigen)

In der von Friedrich Hebbel verfassten Ausgabe der Nibelungen findet sich ein Hinweis auf die Mandragora. (#108)

1901: Hesse fuehrte die ersten chemischen Untersuchungen an der Mandragora aus. (#45/298)

1920: Lewin publizierte ueber die Mandragora; (#45/296)

1962: Staub bestaetigte mit moderneren Analysemethoden im groben die Ergebnisse von Hesse aus dem Jahr 1901. (#45/296)

1969: Wagner publizierte ueber eine Verwendung als Schmerzmittel, aber auch als Zutat zu diversen Hexenkraeutern. (#45/296)

1976-8: Hansen publizierte ueber die Verwendung im Mittelalter als Schmerzmittel. (#45/296)

Heute wird die Pflanze kaum bis gar nicht mehr verwendet, denn die Pflanze ist eine Raritaet in unseren noerdlichen Breiten und kommt eigentlich natuerlich nicht vor. Die Pflanze ist deshalb absolut schuetzenswert! Die wenigen, den historischen Hexenkulten nacheifernden Drogenkulte, verwenden entweder Cannabis sativa, Psilocybin-haeltige Pilze oder sehr selten, heimische Stechapfelarten, da diese leichter zugaenglich sind, da sie bei uns in Europa haeufiger anzutreffen sind - und man kann regelrecht froh sein, dass Nachtschattendrogen als Rauschdroge heute keine Rolle mehr spielen, wenn man die Giftigkeit der Pflanze, die Moeglichkeiten bleibender Schaeden im Ueberdosisfaellen, kurzum die Wirkungsqualitaet der Pflanze betrachtet. (eigen)

Wirkungen:

Die Droge wirkt stark psychoaktiv und fuehrt zu hypnotischen und deliranten Zustaenden. Sie kann aber auch Raserei ausloesen und zum Tod durch Atemlaehmung fuehren. (#32) Die Pflanze enthaelt die Wirkstoffe Scopolamin und Hyoscyamin. Grundsaetzlich muss man fast mit der gleichen Wirkung wie bei Stechapfel (Datura stramonium), Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) und anderen Nachtschattendrogen rechnen, die sich nur durch die bei Pflanzen typischen Schwankungen des Alkaloidsgehaltes durch Lage und genetische Veranlagung ergeben. Man muss also mit einer stark anticholinergen Wirkung rechnen, die sich in mittleren Dosen in ein regelrechtes Delirium steigert, bis unter Umstaenden bei sehr hohen Dosen, der Tod durch Atemlaehmung eintritt. (eigen)

Es gibt eine starke Pupillenerweiterung, einen trockenen Mund, einen verwirrten Zustand und starke Gesichtsroetung, (#61) die auch bei den anderen Scopolamin und Hyoscyamin enthaltenden Pflanzen auftreten. (eigen)

Die Pflanze loest in Bereitungen sicherlich auch Ataxie aus, die so stark werden kann, dass der Berauschte nur mehr "herumfliegt". Ebenso wird gleich wie bei allen anderen Nachtschattendrogen die Laehmung des Pupillenmuskels (Musculus pupillae sphincter) ausgeloest, wodurch die Faehigkeit zu Lesen, waehrend des Rausches, verlorengeht. Die verringerte koerperliche Leistung wird vor allem durch die atemdepressive Leistung verursacht, die den Nachtschattendrogen innewohnt. (eigen)

Nachtschattengewaechse loesen oft erotische Traeume aus, doch die sexuelle Aktivitaet ist, aufgrund der starken Bebaeubungswirkung seitens des Scopolamins, stark gemindert, was bereits ausfuehrlicher im Kapitel "Allgemeines" abgehandelt wurde. Meistens wird die Pflanze eher zur Betaeubung in krimineller Absicht verwendet, um das Opfer einzuschlaefern, oder gar zu toeten. (eigen)

Wirkdauer:

Die Dauer der Wirkung umfasst sicherlich 2-3 Tage, (#61) wenn man die ganzen Nebenwirkungen betrachtet, vor allem, dass Nachtschattendrogen auf den Pupillenmuskel (musculus pupillae sphincter) wirken und diesen laehmen - eine Eigenschaft die meist 2-3 Tage anhaelt und von mir erstmalig im Zusammenhang mit der Einnahme eines Stechapfeltess beobachtet wurde. (eigen)

Gegengift:

Vergiftungen durch die Mandragora sind kaum zu erwarten und spielen heutzutage sicherlich keine praktische Bedeutung mehr. Die Pflanze ist selten und wird kaum noch als Rausch- oder Medizinalpflanze bei uns in Europa genutzt. Am ehesten ist noch mit Vergiftungen durch Stechapfel (Datura stramonium) oder Tollkirsche (Atropa belladonna) zu rechnen und es soll an dieser Stelle, nur ein kurzes Schema der Behandlung angegeben werden, das praktiziert wird, denn die Behandlung von Vergiftungen mit Nachtschattendrogen und deren Diagnose sind eigentlich Aufgabe eines Arztes, da sie lebensbedrohlich werden koennen. Sollte es zu Problemen durch die Einnahme einer Nachtschattendroge kommen, dann empfehlen sich zuerst beruhigende Massnahmen, wie Reden, Ausschalten von lauter Musik, Koerperkontakt usw.; Methoden, die unter dem Begriff "talk down" zusammengefasst sind. Sollte die Intoxikation ernsthaftere Formen annehmen oder angenommen haben, vor allem bei Tobsuchtsanfaellen, ist sofort die Rettung zu alarmieren. Besonders notwendig ist die Zuziehung eines Arztes, wenn typische Symptome einer Atemlaehmung (blaue Lippen, stockende, schwere Atmung (Cheyne-Stokes-Atmung) auftreten, wie sie uebrigens auch bei einer Ueberdosis mit Heroin auftreten koennen, denn auch die Nachtschattendrogen kann man als "harte" Rauschdrogen auffassen, da sie gleich wie Heroin ueberdosierbar sind. (Als kurze Nebenerwaehnung moechte ich noch anfuehren, dass die Teilung von Rauschdrogen allgemein in Klassen oder Kategorien kaum eindeutig moeglich ist, da grundsaetzlich ein multidimensionaler, fliessender Uebergang der Wirkqualitaeten, abhaengig von ihrer elektrochemischen Konfiguration, die sich durch die Molekuelstruktur ergibt, existent ist. Der Einsatz der Bezeichnung "harte" oder "weiche" Drogen - ist gleich wie der Begriff legal oder illegal eine idiotische Schwarz-weissmalerei und entspricht nur grob und sehr, sehr allgemein den Tatsachen, die sich durch die fliessend ineinander uebergehenden, mannigfachen Wirkungen und Wirkstaerken von Rauschdrogen ergeben.)

Physiostigmin wirkt als spezifisches Gegengift und steht im Mittelpunkt der medikamentoesen Behandlung. Das Hauptrisiko einer hochdosierten Vergiftung ist ja eine zentrale Atemlaehmung. Diese kann durch kuenstliche Beatmung abgewendet werden. Temperatursenkende Massnahmen und bei Erregungszustaenden die Gabe von Diazepam (Valium®), i.v. in kleinen Dosen, ergaenzen die Bahandlung wirkungsvoll, (#2) da die Berauschung durch die Nachtschattendrogen auch von angstbesetzten Zustaenden gepraegt sein kann. Die oftmals angefuehrten "Tobsuchtsanfaelle" in Zusammenhang mit Nachtschattendrogen sind bei hohen Dosen sicherlich nicht zu erwarten - denn die beruhigende und ataktische Wirkung verhindert jede zielgerichtete Bewegung - meistens kann sich der Berauschte kaum aufrechthalten, taumelt, geraet in eine Art Halbschlaf, waelzt sich umher, tut sich schwer beim Atmen.

Max Daunderer fuehrt in seinem Werk: "Klinische Toxikologie der Gegengifte" aus dem Verlag ecomed, Landsberg/Lech aus dem Jahre 1987 aus, dass Physiostigmin als Physiostigminsalizylat in Ampullenform verwendet und in pharmazeutischen Handel angeboten wird. Dieses Gegengift darf nicht erhitzt werden und muss unbedingt vor Licht geschuetzt werden. Die verwendete Dosis bei Vergiftungen betraegt 0,02-0,006mg/kg Koerpergewicht. Das Gegengift wird entweder i.v. oder i.m. gespritzt und besitzt eine Wirkungsdauer von 1,5-2h, wie Daunderer im Kapitel (G48/1ff.) angibt. Grundsaetzlich moechte ich noch anmerken, dass der Arzt, dieses Gegengift, gleich wie auch Naloxon (Narcanti) bei einer Opiatvergiftung, mehrfach hintereinander applizieren muss, da die Wirkung der Nachtschattendrogen viele Stunden bis sogar zu 2 Tagen anhaelt und beim Nachlassen der Wirkung durch das Gegengift wiederum die atemlaehmende Wirkung in den Vordergrund tritt und es nochmals zu einer ernsthaften, sogar lebensbedrohlichen Krise kommen kann.

Bei der Wahl des Beruhigungsmittels muss der Arzt auf jeden Fall aufpassen, dass es zu keiner Verstaerkung der moeglichen oder vorhandenen Atemlaehmung durch die Wahl des Beruhigungsmittels kommt - denn diese ist lebensbedrohlich und kann auch, wenn sie ueberlebt wird, bleibende Schaden zuruecklassen. Deshalb wird heute kaum noch ein Barbital verwendet, sondern die viel weniger atemdepressiv wirkenden Benzodiazepine (Anxiolytika), deren bekanntester Vertreter das Valium (Diazepam) ist. (eigen)

Das ehedem haeufig in Psychiatrien eingesetzte Haldol (Haloperidol), welches vor allem bei Psychosen verwendet wird, eignet sich nicht fuer die Behandlung, wie Richi Moscher in "Too much. Erste Hilfe bei Drogenvergiftungen" auf S. 48 anmerkt. (eigen)

Warnhinweise:

Das Fuehren von Kraftfahrzeugen und das Betreiben gefaehrlicher Maschinen ist nicht moeglich! Aufgrund der Laehmung des Pupillenmuskels kommt es bereits bei geringen Dosen zu unscharfen Sehen! (eigen)

Schon bei mittleren Dosen kommt es bei Nachtschattendrogen die Tropanalkaloide (wie Scopolamin oder Hyoscyamin) enthalten zu Halluzinationen, die im Gegensatz zu den Pseudohalluzinationen der serotenergen Halluzinogene (LSD, Psilocybin, Meskalin,...), als taeuschend echt empfunden werden. Der Berauschte sieht Dinge, die nicht vorhanden sind und ist damit im normalen Leben hoechstens gefaehrdet einen Unfall zu erleiden. (eigen)

Bei hohen Dosen tritt der atemlaehmende Effekt in den Vordergrund und der Berauschte droht zu ersticken. Es besteht hoechste Lebensgefahr! (eigen)

Bei versehentlichen Vergiftungen mit Tropanalkaloid-haeltigen Nachtschattendrogen muss auf jeden Fall ein Arzt gerufen werden, oder die Rettung, da man nie weiss, wieviel an Droge aufgenommen wurde - gerade die schoenen Beeren, der meisten Nachtschattendrogen, werden gerne von Kindern eingenommen, da sie zudem sehr suess schmecken, ist die Gefahr besonders gross! Es besteht Lebensgefahr! (eigen)

Die Wirkungen dauern bis zu 3 Tagen und damit ist es kaum moeglich den Berauschten so lange sicher unterzubringen ohne fremde, professionelle Hilfe. Es besteht grosse Gefahr durch die unscharfe Sicht einen Unfall zu erleiden! Suchen sie unbedingt Hilfe bei Aerzten, Drogenberatungsstellen und dem allgemeinen Giftnotruf. Nachtschattendrogen sind legal, also brauchen Sie auch keine Verfolgung seitens der Behoerden befuerchten. (eigen)

Es gibt ein spezifisches Gegengift, Physiostigmin, mit dem die Wirkung sofort aufgehoben werden kann! Eine Behandlung mit einem ruhig-stellenden Beruhigungsmittel ist nicht ausreichend, weil der Berauschte unter den Halluzinationen leidet! Neuroleptika sind nicht wirksam, andere atemdepressive Beruhigungsmittel, wie z.Bsp. Barbiturate erhoehen die Gefahr einer Atemlaehmung! (eigen)


Bildquellen:

Abbildung 1: Zeichner: Jacob Theodor Tabernaemontanus; Quelle: "Neuw vollkommentlich Kreueterbuch", 1613.

Abbildung 2: Zeichner/in: ; Quelle: .

Abbildung 3: Zeichner/in: ; Quelle: "Pen Tsao Kang Mu", 1597.


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie