Scopolamin

Formel

Formel aus:

(#12, #53, #62, #69/81)

Andere Namen:

Hyoscin, (#5, #17, #47, #62) l-Hyoscin, (#15) Skopolamin, Hyoszin, (#36) [7(S)-(1alpha,2beta,4beta,5alpha,7beta)] -alpha- (hydroxymethyl) benzolessigsaeure -9- methyl -3- oxa -9- azatricyclo- [3.3.1.02,4] non-7-ylester, (#62) l-Scopolamin, (#12) Skopolin-Tropasaeure-Ester. (#69/81)

Spezifikation:

Scopolamin:
Summenformel: C17H21NO4;
Molekulargewicht 303,35;
viskose Fluessigkeit;
Brechungsindex: [alpha]D=-28 Grad; (#62)

Scopolamin Monohydrat:
Aussehen: Kristalle;
Schmelzpunkt: 59 Grad Celsius;
Loeslichkeit: loesl. in H2O, EtOH, Et2O, CHCl3, Aceton; (#62)

Scopolamin-HBr-trihydrat:
mp 195 Grad Celsius;
Loeslichkeit: loesl. in H2O, EtOH. (#62)

Dosis:

Ab 0,1mg/kg (#17, #36) treten Halluzinationen vor allem visueller Natur auf, die sich ueber mehrere Tage erstrecken koennen. Die toedliche Dosis ist fuer den Menschen etwa so hoch wie die von Atropin, (#17) und soll bei ca. 100mg liegen. (#36) Die Injektion von 1mg subcut. loest ebenso starke Wirkungen aus. (#9)

Wirkdauer:

Die Dauer haengt von der Aufnahmeform ab. Sie kann von 4 Stunden bei Injektion (#9) bis zu Tagen betragen. (#17)

Vorkommen:

Atropa belladona;
Brugmansia arborea, B. aurea, B. x candida, B. x insignis, B. sanguinea, B. suaveolens, B. versicolor, B. vulcanicola;
Datura ceratocaula, D. ferox, D. inoxia, D. metel, D. stramonium, D. tatula;
Hyoscyamus albus, H. aureus, H. muticus, H. niger, H. physaloides;
Latua pubiflora;
Mandragora officinarum;
Methysticodendron amesianum;
Scopolia anomala, S. carnicola, S. praealta;
Solandra brevicalyx, S. guerrensis;

In diversen Medikamenten, z. Bsp.: Buscopan® (Oesterreich), Scophedal® (BRD);

Allgemeines:

Scopolamin ist ein haeufig vorkommendes Alkaloid der Nachtschattengewaechse (Solanaceen). (#11, #12, #36, #45, #62) Es waeren vor allem die Tollkirsche (bot. Atropa belladonna), der Stechapfel (bot. Datura stramonium) oder auch das Bilsenkraut zu nennen, in denen ausser Scopolamin noch andere Tropanalkaloide, z. Bsp. Hyoscyamin enthalten sind, die ein aehnliches Wirkspektrum aufweisen. Scopolamin kommt nicht in allen Nachtschattengewaechsen vor. (#17)

Es ist auch von der chemischen Struktur her eng mit den Tropanalkaloiden Atropin und Hyoscyamin verwandt. (#13, #36) In der Natur kommt die Verbindung als l-Scopolamin, in der linksdrehenden Form, vor. (#12) Es ist ein Ester des Skopins und der Tropasaeure. (#13, #17) Das Racemat des linksdrehenden Scopolamins wird als Atroscin bezeichnet. (#17)

In der Medizin wird es als beruhigendes Mittel (mit Morphin kombiniert) angewendet. Noch juengst hat R. Degkwitz in seinem Buch "Leitfaden Psychopharmakologie" darauf hingewiesen, dass kein zweites Mittel besser geeignet ist, erregte Geisteskranke schonend, aber sofort zu beruhigen (1,5ml Scophedal® i.m. inj.). S. alleine ist als Beruhigungmittel nicht geeignet, wegen seiner vegetativen Nebenwirkungen, die erst durch die Zugabe von Morphin unterdrueckt werden. (#13) Nun, diese Verwendung ist heutzutage kaum mehr ueblich - in der psychiatrischen Praxis werden vor allem Anxiolytika und Neuroleptika zur Beruhigung verwendet. Nebenbei ist noch anzumerken, dass auch Haschisch in Kombination mit Opiaten eine Verstaerkung der betaeubenden Wirkung ausloest, - welches uebrigens viel weniger giftig ist als andere Mittel. Inwieweit eine Reduktion des notwendigen Opiatdosis durch die Zugabe von Cannabis erreicht werden kann, ist mir nicht bekannt. (eigen)

Wirkungen:

Scopolamin zeigt aehnliche Wirkungen wie Atropin, wirkt aber auch stark zentral daempfend, d.h es beruhigt. (#13, #15, #17) Die zentralstimulierende Wirkung, die bei dem verwandten Tropanalkaloid Atropin staerker ausgepraegt ist, tritt zurueck. Von den anderen, peripheren, d.h. koerperlichen Wirkungen ist im Gegensatz zu Atropin die Pupillenerweiterung und die Speichelbildung verstaerkt. Auch die Bewegung des Darmtraktes sind durch die Einnahme von Scopolamin mehr verringert wie bei Atropin. (#17)

Es fuehrt zu einem halbwachen Zustand, in dem die Willenskraft des Berauschten stark beeintraechtigt sein soll, steht im "Handbuch der Rauschdrogen". Waehrend Denk- und Sprechfaehigkeit erhalten sind, wirkt der Betroffene wie ein Hypnotisierter in tiefer Trance. Er soll Fragen ueber Sachverhalte beantworten, die er sonst geheim haelt. (#13) Aus diesem Grund wurde S. als "Wahrheitsdroge" missbraucht, wurde spaeter aber durch das Barbiturat Natrium-Pentothal ersetzt. (#13, #36)

Tropanalkaloide werden auch ueber die Schleimhaeute rasch und vollstaendig aufgenommen. (#17) Deshalb wurden Nachtschattengewaechse im Mittelalter in Form von Salben zusammen mit Fetten und anderen Zutaten, den Hexensalben, von Kraeuterkundigen verwendet, um Rauschzustaende auszuloesen. (#12, 45) Bei einer Verwendung in Salbenform von Scopolamin muss sich jeder im klaren sein, dass die Dosierung nur sehr schwer zu bestimmen ist. Wenn die Salbe einmal aufgetragen ist und die Dosis zu hoch war - besteht sehr grosse Gefahr, wenn man kein Gegengift zur Verfuegung hat, dass es zu ernsthaften, kaum mehr unterbrechbaren, Vergiftungen kommt. (eigen)

Arman Sahihi gibt jene kurze Zusammenfassung der Wirkungen von Skopolamin an:

S. bewirkt, bei Dosen ab 5mg, versiegenden Speichelfluss, Sehstoerungen, unkontrollierte Halluzinationen, Koordinationsstoerungen, voellige Verzerrung des Zeitkontinuums, Juckreiz, deliroese Zustaende, Paramnesien und "Gedankenverknotungen". (#36)

Scopolamin wird in niederen Dosen auch als Medikament eingesetzt. Es war auch unter dem Markennamen Buscopan® in Oesterreich als Spasmolyticum und Schmerzmittel im Handel zur Zeit der Erfassung in diesem Werk (1996). (eigen, Austria Codex 88) Es ist hochgradig giftig, und wird aus diesem Grund heute in der Medizin kaum noch eingesetzt. (#36)

Subjektive Wirkungsbeschreibungen:

Ein Selbstversuch aus dem Buch "Rausch und Realitaet" beschreibt die Wirkung folgendermassen:

20.15 Uhr: 1mg subcut. inj.: bei R. schnelle erste Reaktion: "zieht den Nacken hoch", leichter Augeninnendruck, mir kommen die Farben deutlicher vor, das Blut steigt mir in den Kopf, ich spuer' schon wieder den Reissverschluss.

20.19 Uhr: ich hab' deutlich Schwierigkeiten, meinen Blick zu sammeln. Gesichtsfeldveraenderung; leichtes Schwindelgefuehl, wenn ich den Kopf bewege, aehnlich wie Brugmansiabluetentee, es macht herrlich zufrieden, schlaff, der Mund wird mir trocken "ah, das ist ein schoenes Gefuehl, doch kraeftige Gleichgewichtsstoerungen"

20.33 ich habe auch Sehstoerungen;

20.40 zweite inj. "das ist vielleicht ein Hammer" "so schlapp war ich noch in keiner Weise" erste Lichterscheinungen Das laufende Protokoll konnte ich nicht weiterfuehren, da erste echte Halluzinationen auftraten. Wenn ich meinen Schreibstift nehmen wollte, griff ich vollends ins Leere. Ich sah den Stift exakt genau - wie im taeglichen Leben. Aber ich griff nur nach meiner Idee von ihm. Ich konnte mich aufgrund einer vollstaendigen Muskelerschlaffung nicht oder nur kaum und mit sehr viel Muehe bewegen. Aufstehen ging kaum. Ich hatte Durst aber ziemliche Schluckbeschwerden. M. und ich lachten uns halbtot bei einigen seiner Sprachproben. Ich musste dann alle paar Minuten zum Pinkeln gehen. Ich hatte ein viel intensiveres Farbensehen. Darum weiss ich nicht, ob meine Haut wirklich stark geroetet oder ob es wieder nur eine Idee meines Bewusstseins war. Gegen 24.00 Uhr waren fast alle Symptome verschwunden, aber ich war sehr heiter und ausgesprochen gut gelaunt. Nur war ich weitsichtig geworden. Ich konnte weder lesen noch schreiben. Erst ab ca. 50cm konnte ich scharf sehen." (#9)

Sucht:

Abhaengigkeitssymptome sind beim jahrelangen Konsum von Nachtschattengewaechsen in Suedamerika beobachtet worden; (Raetsch)

Diese moeglichen, bleibenden und koerperlichen Schaeden werden durch eine zentrale Atemlaehmung ausgeloest, die eine ueberstarke Dosis Scopolamin auszuloesen vermag. Dadurch kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn, der zu Absterben von Zellen im Gehirn fuehren kann. Dies kann sogar so weit fuehren, dass Scopolamin toedlich wird. (eigen)

Schaeden durch Scopolaminkonsum sind ueberall in der Welt, wo Scocpolamin-haltige Drogen leicht zugaenglich sind, sehr haeufig. Man bezeichnet die Opfer bsp. als "lebende Leichname" und erschaudert von der giftigen Pflanze. In Indien wird in einigen Gegenden, wo verbreitet Tropanalkaloid-haeltige Pflanzen weit verbreitet sind, auf Hinweistafeln hingewiesen, vor allfaelligen und ueblichen kriminellen Missbrauch der Pflanzenbereitungen warnen. Der Missbrauch dieser Drogen reicht weit in die Geschichte Indiens zurueck, wobei z.Bsp. auf die Thugs zu verweisen waere, ein hoechst aktiver Orden, der vor ca. 200 Jahren v.a. Reisende damit betaeubte, ermordete und beraubte. Lokalisiert war dies in den Grossraum Kalkutta. (eigen)

Nachweis:

Eine Mischung aus 1g einer waessrigen 1%-igen Furfurolloesung und 10g konz. H2SO4 wird mit der Probe versetzt und in einer Porzellanschale erwaermt. Die Mischung faerbt sich bei Anwesenheit von S. intensiv violett. (#12)

Gegengift:

Physiostigmin wirkt als Gegengift und steht im Mittelpunkt der medikamentoesen Behandlung. Das Hauptrisiko der Vergiftung ist eine zentrale Atemlaehmung. Diese kann durch kuenstliche Beatmung abgewendet werden. Temperatursenkende Massnahmen und bei Erregungszustaenden die Gabe von Hexobarbital oder Diazepam (Valium®), i.v. in kleinen Dosen, ergaenzen die Behandlung wirkungsvoll. (#2)

(Es muss darauf hingewiesen werden, dass es zu keiner Verstaerkung der Atemlaehmung kommen darf; es empfehlen sich die allgemeinen Massnahmen der Ersten Hilfe und die Herbeirufung eines Arztes; ich glaube nicht, dass Valium® oder Hexobarbital besonders gut geeignet sind; es empfehlen sich sicherlich zuerst Methoden des sogenannten "talk-downs";) Es muss an dieser Stelle an die ausfuehrlichen Beschreibungen bei Mandragora officinalis (Alraune) oder Datura stramonium (Stechapfel) verwiesen werden, wo auch ausfuehrliche Beschreibungen der entsprechenden Rauschzustaende und deren Aufhebung beschrieben ist. (eigen)

Geschichte:

1955: Goodmann und Gilman unternahmen Untersuchungen mit Hyoscyamin. (#45/301)


Bibliographie:

Das Quellenverzeichnis der Enzyklopaedie